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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Jetzt, als er erfahren hatte, dass der Beweggrund des Millionärs womöglich gar keine Anmache gewesen war, wie fühlte er sich? Er war immer noch nicht begeistert.
    »Gerade deswegen«, fuhr Anna fort, bevor er antworten konnte, »wenn er sozusagen gar kein Eigeninteresse dabei hatte, das zu sagen, dann ist das schmeichelhafter, oder nicht?«
    »Ja, das klingt gut«, sagte Gabi, »wenn du meinst, dass es das Passende für dich ist.« Und ein paar Minuten darauf, die er an die Decke starrte, fragte er: »Dann gehen wir nach Tel Aviv zurück?«
    »Willst du?«, fragte sie.
    Er wollte alles, wenn es sie im Plan mit einschloss, und das sagte er ihr. Sie wandte sich ihm im Dunkeln zu und nahm sein Gesicht zwischen ihre kleinen Hände. »Ich liebe dich so, Gabi. Was für ein Glück, dass du mir in den Schoß gefallen bist.« Ihre Stimme zitterte leicht. Sie küsste ihn auf die Lippen, ein kurzer Kuss.
    »Ich dir? Du bist die, die mir in den Schoß gefallen ist«, erwiderte er.
    »Was für ein Glück«, wiederholte sie und nun klang ihre Stimme piepsig, das Weinen war nicht mehr zu verbergen, und er spürte, wie ihn eine riesige Woge zu ertränken drohte. Auch er schniefte, umarmte sie ganz fest und sagte nichts.
    Er fragte sich manchmal, was sie an ihm fand, was sie an ihm liebte. Sie konnte doch, was sie auch schon erfolgreich getan hatte, so leicht die Aufmerksamkeit vieler Männer auf sich ziehen. Die Antwort, die er sich selbst darauf gab, war, dass ein guter Zusammenhalt zwischen ihnen bestand. Sie waren glücklich zusammen, das war’s, und man musste nicht noch mit der Kerze nach Gründen suchen. Mit ihr an seiner Seite fühlte er sich ganz.
    Die Rückkehr
    In Tel Aviv zu leben heißt, zwischen Stromkabeln, Solarboilern und abblätterndem Kalk zu leben, zwischen so vielen jungen Leuten, Bäumen und Geschäften, die Tag und Nacht so lang offen sind, dass man das Gefühl hat, nicht nur an einer Durchgangsstation zum richtigen Leben zu sein. Anna fuhr jeden Morgen in die Universität und kehrte am Abend zurück. Gabi stand spät auf, räumte die Wohnung auf, erledigte die Einkäufe, kochte aufwändige Abendessen und dachte nach, was er mit sich anfangen sollte. Ein Klassenkamerad Ronis aus dem Kibbuz hatte einen Laden zur Verteilung von Flyern aufgemacht, also stopfte Gabi drei Tage in der Woche Wurfsendungen in Briefkastenschlitze oder warf Visitenkarten von Begleitservices an Windschutzscheiben von Autos, mit einer Technik, die seiner Meinung nach er entwickelt hatte – er ging auf dem Bürgersteig an den parkenden Autos entlang und schleuderte die Karte in hohem Bogen durch die Luft, so dass sie in der Mitte der Windschutzscheibe landete und unter den Scheibenwischer rutschte. Er wurde schnell zum Bereichsverantwortlichen – steckte die Wurfsendungen nicht mehr selbst in die Schlitze, warf die Karten nicht mehr selbst, sondern dirigierte fünf Jungen, die das erledigten. Das brachte ein paar Groschen ein, und zusammen mit Samuel Laks’ Unterstützung von Annas Studium und Resten von Onkel Jarons Sparkonto hatten sie ein angenehmes Dasein.
    Anna brachte das Studienverzeichnis der Universität mit, und einige Nächte lang gingen sie die Liste der Fächer durch, von denen eine ganze Reihe interessant wirkten: Geschichte, Kriminologie, Wirtschaft, Film. Aber jedes Mal erwachte in ihm die gleiche Frage: Passt das zu mir? Was mache ich mit einem solchen Abschluss? Haben wir genug Geld für zwei Vollzeitstudien? Und vor allem – ist es das, was ich im Leben machen möchte? Die Antwort lautete immer nein.
    Anna sagte, er sei zu schwerfällig. »Du musst keine Entscheidung fürs ganze Leben treffen«, sagte sie. »Du brichst zu einer Expedition auf, und auch wenn du ein paar Jahre etwas lernst und es dann nicht weitermachst, was ist schlimm daran? Wenige Menschen in unserem Alter wissen, was sie im Leben anfangen sollen, und trotzdem gehen die meisten auf die Universität, weil ein Abschluss ein Abschluss ist, weil Studieren eine bereichernde Erfahrung ist, weil …«
    »Weil es das ist, was alle machen, und weil sie keine Ahnung haben, was sie sonst machen könnten, und die Eltern drängen«, vollendete Gabi.
    »Mich hat niemand gedrängt«, wandte Anna ein.
    »Du hast Glück gehabt. Du hast begriffen, was du willst. Ich weiß nicht, was ich will.«
    Dennoch schrieb er sich für das Studienfach Kriminologie ein, denn es klang exotisch, interessant und schien eine Aussicht auf Beschäftigung zu haben. An der Tel Aviver

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