Auf fremdem Land - Roman
Kommandoeinheit, der zum Analysten, zum Börsenfachmann an der Wall Street geworden war, kam Abend für Abend in die Bar Barabush, eine ganze Woche lang. Seine Mutter wohnte um die Ecke, und nachdem er mit ihr zu Abend gegessen hatte, musste er Luft schnappen. Manchmal kam er mit Freunden, manchmal kam er erst spät, nach einer anderen Vergnügungstour, aber im Laufe dieser Woche freundeten sich Roni und er miteinander an. Er erzählte von dem Weg, den er eingeschlagen hatte, und Roni trank seine Worte: Jurastudium und schneller Aufstieg in einer großen Kanzlei in Tel Aviv, ein Darlehen von einigen zehntausend Dollar, die Schule für Businessmanagement der MIT in Boston, Praktikum noch im Laufe des Studiums bei Goldman Sachs Investments, ein Stellenangebot von der gleichen Bank bei Studienabschluss, graduelles Erklimmen der Status- und Geldleiter und Umzug nach New York. Auch die Arbeit selbst klang interessant: eine Welt des Wettbewerbs und des Instinkts, voller Risiken und Chancen. Massenhaft Arbeitsstunden, haufenweise Geld. Idan benutzte Worte, die für Roni wie Chinesisch klangen: private equity , hedge fonds, margin call – doch er war wie hypnotisiert. Und Idan sagte, wenn Roni wolle, würde er ihm behilflich sein. »Deine geschäftliche Erfahrung ist beeindruckend«, meinte Idan, »eine Kette von Bars, ein neues Konzept … das flicken wir in eine application , wie sie es lieben – ein innovativer Unternehmer in der Gastronomie- und Vergnügungsindustrie. Das ist wie mit den Boutiquen von diesen Komikern, Hagaschasch Hachiver.« Er grinste. »Und wir bringen auch den Kibbuzbetrieb rein, der einfache, sozialistische Hintergrund, sie werden sich drum reißen.«
Roni lächelte. »Dann werden sie bestimmt auch damit zufrieden sein, dass ich Waise bin, oder? Eine wahre Cinderellageschichte.«
»Du bist Waise?«, rief Idan. »Machst du Witze? Das ist riesig, da bist du dabei, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken, wir basteln ihnen ein herzzerreißendes persönliches Schicksal zusammen.« Roni lachte, bis Idan sagte: »Aber du musst echt gute Noten beim ersten Abschluss bringen, was studierst du? Wirtschaft?« Roni nickte, doch er spürte, dass ihm der Wind aus den Segeln entwich. Seine Graduierung war noch fern, und nicht alle seine Noten waren gut. »Hör zu«, insistierte Idan, der den Ausdruck auf Ronis Gesicht sah, »es gibt hier keine Abkürzungen. Man muss investieren, hart arbeiten. Doch es lohnt die Investition, in großem Maßstab. Das ist eine andere Welt. Du wirst ganz verrückt nach New York sein, das ist nicht Tel Aviv, das ist das Wahre. Und die halbe Kommandotruppe ist schon dort.«
Roni war an jenem Abend hinter der Bar beschäftigt, er ging im Ansturm der Arbeit auf, aber Idans Worte hallten in seinem Kopf nach, während er zwischen Küche, Bar und den Tischen der Gäste hin und her hetzte. Am nächsten Abend kam Idan wie üblich herein und fragte Roni, ob er die Anmeldungsformulare schon heruntergeladen habe, er wolle, dass sie sie zusammen durchgingen. Roni sagte, er sei nicht dazu gekommen. Er wisse nicht, ob das wirklich das Passende für ihn sei. Er würde noch mindestens ein Jahr bis zum Studienabschluss brauchen, und wenn er echt gute Noten wolle, dann müsse er mehr Zeit finden, um sich ordentlich hineinzuhängen. Und anschließend noch zwei Jahre Ausbildung in New York, und alles in Englisch, ganz zu schweigen davon, dass er nicht genügend Geld habe, und ein Darlehen in solcher Höhe setze ihn unter Druck. »Was fehlt mir denn hier«, sagte er, »warum haben die Leute immer so große Augen? Ich habe ein erfolgreiches Geschäft, Einkommen, ein gutes Leben.«
»Ja, die Leute haben immer Angst vor dem Teil mit dem Darlehen«, nickte Idan. »Das ist viel Geld, aber mit harter Arbeit kannst du es in fünf Jahren, maximal, zurückzahlen. Und dann sitzt du mit einem Job an der Wall Street da. Auf dem Dach der Welt.« Idan lächelte mit weißen Zähnen und fuhr fort: »Und weißt du, nachdem du beim Rindersektor warst und die Laufbahn in der Kommandoeinheit abgeschlossen und dieses Geschäft aufgezogen hast, ist harte Arbeit Pipifax für dich. Ich sag’s dir, du kannst es.«
»Und diese lange Zeit? Und das Englisch?«
»Du hast ein super Englisch«, erwiderte Idan, »ich hab dich vorher mit den Touristen gehört. Und von der Zeit rede ich nicht, denn die Zeit wird auf jeden Fall vergehen. Aber wenn du dich wohlfühlst mit deinem Leben, dann ist doch alles paletti, vergiss
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