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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Amerikaner keine krummen Wege gingen, die Inder, Koreaner und Kroaten jedoch – und trotz allem, auch ein paar Amerikaner – sehr wohl ein oder zwei Ecken schnitten, und er konnte erleben, dass sie gerade durch diese Abkürzungen die fairen Amerikaner des Öfteren weit hinter sich ließen.
    Idan Levinhof fragte Roni bei einer der Versammlungen des Hummusforums: »Erinnerst du dich an Bronko?« Idan hielt die Schulter eines untersetzten, plattnasigen jungen Mannes umarmt. »Sollte ich mich erinnern?«, gab Roni zurück, während er eine energische Hand drückte. Bronko war in Idans Truppe bei der Kommandoeinheit gewesen, war verwundet worden und zu einer Einheit des Nachrichtendienstes gewechselt, bevor Roni eingetroffen war. Dennoch fanden sie innerhalb von zwei bis drei Minuten genügend gemeinsame Bekannte, um zusammen Gift über sie auszuschütten und sich gegenseitig sehr sympathisch zu finden. In der Armee hieß Bronko Joni, doch jetzt nannte er sich Jonathan und arbeitete im Silicon Valley bei einer Firma in israelischem Besitz, die Location Services lieferte. Er war regelmäßig auf der Achse San Francisco-New-York-Israel unterwegs und schaute einmal alle zwei bis drei Wochen im Hummusforum vorbei. Einmal, nachdem Roni und Bronko den Abend gemeinsam mit Biertrinken verbracht hatten, sagte Bronko: »Dieser Hummus hat mir Appetit auf Sushi gemacht.«
    Roni nahm ihn zum Sushi Yasuda in Midtown mit, und nachdem sie das Bier in ihrem Bauch mit warmem Sake angereichert hatten, sprangen sie in ein Taxi zur Bar Ulysses und kühlten den Sake mit Gin. Sie waren in einem fortgeschrittenen Stadium der Trunkenheit, als sie anfingen, Billard zu spielen. Mitten im Spiel hob Bronko eine rote Elfenbeinkugel hoch und sagte: »Weißt du, dass das mal ein Elefantenzahn war?« Roni grinste. »Früher«, fuhr Bronko fort, »haben sie Kugeln aus Holz gemacht.« Roni stieß die weiße Kugel nach einer roten, die in eines der Löcher rollte. »Weißt du, wo ich Kugeln aus Holz gesehen habe?«, redete Bronko weiter. Roni stieg nicht auf das alkoholselige Geschwätz ein, und Jonathan gab sich selbst die Antwort: »Bei Googleplex. Sie haben einen sagenhaften Old-School-Tisch.«
    Roni, über den grünen Tisch gebeugt, hob den Blick: »Was hast du bei Googleplex gemacht?« Die Neugier holte ihn für einen Augenblick aus dem Ginnebel.
    »Ups, hab nix gesagt«, griente Jonathan Bronko und fuhr sich mit der Hand über den Mund, um einen imaginären Reißverschluss zuzuziehen. »Bin jetzt ich dran?«
    Noch in der gleichen Nacht startete Roni, trotz seines betrunkenen Zustands, eine Crosssuche und gelangte zu dem eindeutigen Schluss: Google war dabei, Bronkos Firma aufzukaufen. Am nächsten Tag handelte und investierte er entsprechend. Er sprach mit seinem Portfolio-Manager, Dale Savage, und erhielt die einmalige Genehmigung, sein Handelsbudget zu überschreiten. Anfang der nächsten Woche traf die Meldung über den Erwerb ein. Sie war für die Kunden von Goldstein-Lieberman-Weiss und seine israelischen Bekannten eine Menge Geld wert.
    Im weiteren Verlauf des Jahres erhielt Roni noch einige Tipps von Bronko und anderen, teils versehentlich und auf der Basis von Alkohol in der Bar Ulysses, teils durchaus beabsichtigt. Die Wette auf den negativen Bericht von Google im zweiten Jahresquartal war eine Mischung aus scharfer Witterung, Glück und viel Mumm. Bronko ließ etwas fallen, das er gehört hatte, Roni verlinkte es mit Berichten, die er las, und mit einem Gespräch, das er mit einer Studienkollegin hatte, die in einer Investmentbank in Kalifornien arbeitete. Diesmal holte er keine Genehmigung ein und verfügte über die ihm zugeteilten Summen hinaus. Die Bank und seine Klienten verdienten achteinhalb Millionen Dollar an dem Short, der Wette auf Baisse, die er mit der Google-Aktie betrieben hatte.
    Eines Abends im Januar rief ihn Elliott Lieberman zu einer Unterredung zu sich. Als er sein Büro betrat, war auch Dale Savage anwesend. Roni spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Den Mitarbeitern war gesagt worden, dass die Mitteilung über den Bonus des vergangenen Jahres erst im Februar zu erwarten war, und daher schloss er, dass man ihn in einer anderen Sache zitiert hatte. Ihr Gesichtsausdruck schien ihm ernst. Er war sicher, dass sie ihn erwischt hatten, dass sie sein Portfolio überprüft und begriffen hatten, dass er einen solchen Erfolg nicht ohne Insiderinformation und ohne Überschreitungen seines Budgets erreicht haben konnte.

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