Auf fremdem Land - Roman
Informationsbröckchen, das er Roni an der Bar des Dicken Schweins erzählte – der Erwerb einer internationalen Hotelkette durch eine texanische Holdingfirma, ein Geschäft, das in wenigen Tagen öffentlich werden sollte –, hatte immense finanzielle Tragweite. Roni musste mit äußerster Vorsicht ans Werk gehen. Keine Aufmerksamkeit erregen und keine Spuren hinterlassen. Um das Potential zu realisieren, sprengte er wieder die Deckelung seines Investitionsetats, indem er eine Unterschrift von Dale Savage fälschte. Das Seil, auf dem er diesmal balancierte, war dünner denn je.
Auch dieses Mal schaffte er es. Eine weitere Stufe auf der Leiter. Und nach diesem Erfolg, die schwelende Rauchfahne, die er auf dem Parkett des Aktienhandels hinterlassen hatte, noch in der Nase, suchte sein Blick die nächste Sprosse. Er fuhr fort, Summen und Risiken zu erhöhen (einmal investierte er 300 statt 30 Millionen an einer Position; er hatte vor zu behaupten, dass sich die zusätzliche Null versehentlich eingeschlichen habe, falls man fragen würde; er wurde nicht gefragt). Dale Savage und Gughar Rawandip ließen ihn weitermachen, ermutigten und trieben ihn sogar an, und ab einem bestimmten Stadium forderten sie regelrecht Erfolge von ihm und vertrauten seinen Händen Investitionsetats an, die in die Hunderte Millionen gingen. Er musste nun keine Nullen mehr in Eigeninitiative hinzusetzen. Er wusste, dass auch sie an dem gleichen Spiel beteiligt waren. Broker, die mit ihm zusammenarbeiteten, verwöhnten ihn mit nächtlichen Trinkgelagen auf Kosten ihrer Firmen, auch Kollegen, denen er half und mit denen er kooperierte, und natürlich seine israelischen Klienten, die immer zahlreicher wurden und gleichzeitig die Summen, die sie investierten, erhöhten.
Darauf war er besonders stolz, auf das Vertrauen, das sie in ihn setzten, auf seinen Status im Hummusforum, im Kreis derjenigen, die Macht und Einfluss besaßen – einen Moment lang schoss ihm blitzartig die Erinnerung an die Terrasse mit dem Holzdeck in der Bazelstraße in Tel Aviv durch den Kopf. Das Jahr schloss er mit einem Bonus von knapp 600000 Dollar ab. Er tilgte das Darlehen für seine Studiumsfinanzierung in weit weniger als den vier Jahren, die er sich gegeben hatte, und zog in das Penthouse in seinem Gebäude – wieder ein paar Stufen auf der Leiter. Er fühlte sich unbesiegbar.
Die Krise
Die unheilvollen Vorzeichen, die sich bereits seit geraumer Zeit auf dem Markt bemerkbar gemacht hatten, begannen ihre Spuren zu hinterlassen. Zwei Hedgefonds brachen zusammen. Leute verloren ihre Stellen. Es waren Gerüchte über eine nahende Immobilienkrise sowie über Liquiditätsprobleme von Banken und Investmentgesellschaften im Umlauf. Dies erhöhte nur den Erfolgsdruck und die Forderung, weitere Profite einzufahren. Doch die Talfahrten und Verluste bargen auch ein Potential für nicht unerhebliche Gewinne, wenn man seine Karten richtig ausspielte.
An einem der Donnerstage des Hummusforums kam Idan Levinhof auf Roni zu. Die beiden hatten sich in letzter Zeit etwas voneinander entfernt – für freundschaftliche Treffen waren alle zwei zu beschäftigt, und sie kamen nur selten zum Hummusforum. An diesem Abend, als Idan sich nach seinem Befinden erkundigte, verspürte Roni ein leises Unbehagen. Er war ihm verpflichtet – Idan hatte ihn mit dieser Welt bekannt gemacht, ihn dazu angespornt, sich anzuschließen, ihm bei allen Antragsformularen und Einstellungsgesprächen geholfen. Mehr noch – Idan symbolisierte für Roni die richtige Erfolgsgeschichte. Er war stets liebenswürdig und absolut geradlinig. Roni war sich sicher, dass jeder einzelne Dollar von den Millionen, die Idan wahrscheinlich schon verdient hatte, makellos sauber war. Idan war anders als Roni. Er hatte die Wall Street betreten und sich zu Hause gefühlt. Er hatte den amerikanischen Akzent angenommen, war in der Kultur aufgegangen: Er ging mit den Einheimischen zu Baseballspielen, hatte das System gelernt. Roni weigerte sich. Bereits als Student, als er mit den Headhuntern der Firmen über Doron Sheffer und Nadav Henefeld geredet hatte, hatte er gemerkt, dass sein Weg ins Innere der Gesellschaft ein anderer sein würde als ihrer.
Beide waren klug genug, die Kluft zwischen ihnen nicht näher zu beleuchten. Roni war damals aufgefallen, dass es Idan nicht eilig hatte, ihm dabei zu helfen, bei Goldman Sachs einzusteigen. Idan hatte Roni zwar nicht für seine eigene Firma rekrutiert, aber er hatte versucht, über
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