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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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ihn zu wachen, ihn zu warnen, nicht vom Weg abzuweichen. Höchstwahrscheinlich hatte Levinhof von Ronis Erfolgen gehört, und da er Pilpeli und Goldstein-Lieberman-Weiss kannte, vermutete er bestimmt, dass das Geschäft dort nicht hundertprozentig koscher war. Nachdem er sich also nach Ronis Befinden erkundigt hatte, schlug er vor: »Komm, gehen wir noch was trinken.« Roni konnte sich schlecht entziehen.
    »Hör zu, Roni«, begann Idan, als habe er eine fertige Rede im Kopf. »Ich habe immer viel von dir gehalten, schon in deiner Bar in Tel Aviv. Ich habe gesehen, was du gemacht hast, und ich habe dein Potential erkannt, ich wusste, dass du auch hier Erfolg haben wirst.«
    »Was wird das, ein Motivierungsgespräch?« Roni versuchte zu grinsen, doch er wusste, worauf es hinauslief, und dass er keine andere Wahl hatte, als sitzen zu bleiben und zuzuhören. Er kratzte nervös an dem Etikett des mexikanischen Biers.
    »Ich fühle mich für dich irgendwie verantwortlich …«, fuhr Idan fort.
    »Bist du nicht. Ich bin ein erwachsener Mensch. Ich bin selbst für das verantwortlich, was ich mache.«
    Idan ging nicht auf Ronis Bemerkung ein. »Ich weiß, dass die Versuchung immens ist. Dass es Kontakte und Informationen gibt. Dass du dieses ganze irrsinnige Geld siehst und weißt, du brauchst nur eine Hand auszustrecken, um es zu ernten.«
    Roni blickte ihn an: »Was willst du, Idan?«
    »Ich weiß, dass du kein Verbrecher bist«, sprach Idan weiter und gab Roni den Blick zurück. »Ich kenne diese Leute. Es handelt sich hier nicht um Menschen, die keine Erziehung hatten, die keine andere Wahl haben, als Kriminelle zu sein. Das ist reine Profitgier. Es gibt hauptsächlich zwei Verhaltensmuster, die Menschen dazu bringen, im Rahmen von Recht und Gesetz zu agieren: ein Gerechtigkeitssinn für richtig und falsch oder die Furcht, erwischt zu werden, ins Gefängnis zu wandern, viel Geld zu verlieren. Ich erwähne das deshalb hier, weil es in unserem Beruf leicht ist, das manchmal zu vergessen, und weil du mir nicht egal bist. Ich habe Menschen gesehen, die gefallen sind. Schön ist das nicht. Ich weiß nicht, was du getan hast oder nicht. Aber ich bin nicht blöd. Und ich schlage dir vor, die Bremse zu ziehen. Was immer du gemacht hast, hast du gut gemacht, aber hör hier auf. Und nimm dich in Acht. Ich weiß, dass du für eine Menge Israelis spekulierst, und ein Teil von ihnen sind nicht gerade angenehme Zeitgenossen. Wenn sie wegen dir zu Fall kommen, wirst du echte Probleme kriegen.«
    Roni handelte in dieser Phase fast nur Optionen. Per Optionen kaufte oder verkaufte er das Recht, eine Aktie zu einem Nominalpreis bis zu einem im Voraus festgelegten Termin zu kaufen. Die Option war preiswert – die Transaktionen kosteten nur Hunderte oder Tausende Dollar –, doch die Chance und das Risiko, die sie in sich bargen, waren um ein Vielfaches höher als beim Handel mit der Aktie selbst. Eine leichte Schwankung in ihrem Wert konnte eine große Auswirkung auf den Wert der Option haben. An einer Transaktion von einigen Zehntausend Dollar konnte man Hunderttausende verdienen, allerdings auch einen riesigen Verlust erleiden. Eine Option war in der Praxis nichts anderes als eine Wette. Gughar hatte einmal zu Roni gesagt, wenn der Börsenaktienhandel ein Roulettespiel sei, dann sei der Handel mit Optionen russisches Roulette.
    Gegen solche Risiken gab es in der Investmentbank einige Sicherheitsvorkehrungen. Eine davon war die Forderung, ein spezielles Konto zu unterhalten, das sich margin nannte, auf dem genug Geld lag, um die Risiken abzudecken. Schulden konnten sich potentiell zu beängstigenden Dimensionen auswachsen und mussten sofort bezahlt werden, weshalb die Bank es nicht unterstützte, dass Schulden gemacht wurden. Eine zweite Absicherung war die Abteilung für Risikomanagement in der Firma, deren Aufgabe es war, die Transaktionen zu kontrollieren und zu beaufsichtigen, um Störfälle zu vermeiden – zu verhindern, dass der Trader viele Optionen von der gleichen Sorte kaufte, ohne die Risiken zu streuen. Roni bemühte sich, enge Beziehungen zu den Mitarbeitern dieser Abteilung bei Goldstein-Lieberman-Weiss zu pflegen.
    Roni fuhr mit diesen Geschäften fort und erzielte weiter Gewinne. Sein Beziehungsnetz war in diesem Stadium weitläufig genug, um fast jede Woche einen interessanten Informationskrümel aufzuschnappen, der sich in bares Geld umsetzen ließ. Es war sicher, denn auch seine Informanten waren Anleger im Fonds. Alle

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