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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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verlassenen Wohnwagen der Gottliebs niedergelassen, die in das vernünftigere, bürgerlichere Schiloh zurückgegangen waren, in eine Welt, die ihrer Duldungsschwelle eher entsprach. Am Anfang hatte er sich einfach einquartiert, ohne zu fragen, ohne zu bitten, ohne zu zahlen. Es erwies sich als praktikabel – Tatsachen vor Ort schaffen, im Nachhinein von der Bürokratie bestätigen lassen. Das Eingliederungskomitee, das sich eingestehen musste, bei der Auswahl einer passenden Familie versagt zu haben, war damit einverstanden, dass er vorübergehend dort blieb, bis man wieder eine Familie aus der Warteliste bestimmte – wozu es erst kommen würde, wenn Herzl Weizmann den Wohnwagen für den Bezug einer Familie renoviert und benutzbar gemacht hätte, was wiederum erst passieren würde, nachdem er die Renovierung der Synagoge abgeschlossen und den Fertigwürfel für den Kindergarten hergerichtet hätte.
    Kurz gesagt, Roni blieb auf einer vorläufigen Basis, die sich zog und zog, und inzwischen zahlte er eine bescheidene Miete von dem Geld, das er hier und dort ergatterte, beteiligte sich an den Wachschichten und verhielt sich unauffällig. Er störte niemanden, und aus Sicht des Stützpunkts war jeder Siedler ein Segen – Roni willigte sogar ein, hin und wieder als zehnter Mann beim Minjan einzuspringen, wenn man ihn darum bat.
    Doch er versank immer mehr in sich selbst. Die Einsamkeit machte ihm schwer zu schaffen. In Gabis Wohnwagen hatte es Diskussionen gegeben, Spannungen, ein Gefühl von Platzangst, aber wenigstens Interaktion. Jetzt brachte er Tage zu, ohne hinauszugehen, ohne ein Wort zu reden, füllte den kleinen Raum mit erstickendem Zigarettenrauch und der verrotteten Luft seiner Gedärme, hörte den Wind pfeifen und den Muezzin jaulen, Beilin und Kondi im Duett heulen und die aktuellen Talksendungen in dem Transistorradio, das er von Gabi bekommen hatte. Das Geld wurde immer weniger, bis er sich dabei ertappte, dass er sich von trockenen Brotscheiben ernährte oder zu Telefontricks griff – anklingeln lassen und unterbrechen –, damit die Leute auf ihre Kosten anriefen, was dazu führte, dass die Gespräche mit Ariel und Mussa mehr oder weniger versandeten, und das wiederum bedeutete das Ende jeglicher Aktivitäten, die man noch »Arbeit« nennen konnte: seine aussichtslosen Versuche, die gescheiterte Geschäftsinitiative zu retten oder Ariel und Gabi wenigstens einen Teil der Investitionen zurückzuerstatten.
    Gavriel war währenddessen etwas Herrliches passiert, fast ein Wunder: Nach einigen Verzögerungen – die starken Regenfälle Anfang des Winters, eine Bargeldkrise, die das Eintreffen der Ziegel verzögerte – hatte er endlich sein Zimmer fertiggestellt, und mit einem einspiraligen Elektroheizofen und einer einsamen Matratze bezog er sein neues Heim an der Kante des Felsens über Nachal Chermesch. Das Haus war klitzeklein, und die Toilette, die Spüle und der Kühlschrank befanden sich außerhalb, die Winterwinde am Nachmittag und Abend rüttelten und heulten, Strom und Wasser kamen mühsam und manchmal auch gar nicht, und er schlief eingerollt in eine Daunendecke mit vier Kleiderschichten und noch allerlei mehr – doch das alles waren Nichtigkeiten. Es war seine Ecke in der Welt, das bescheidene Heim, das er aus dem Nichts mit seinen eigenen Händen erbaut hatte. Es war sein ganzer Stolz, seine größte Errungenschaft, und er dankte dem Herrn jeden Tag dafür.
    Er versuchte nicht, seine Enttäuschung und seine Wut darüber zu verbergen, dass er auf die Reise nach Uman zu Rosch Haschana verzichtet hatte, weil er Roni einige tausend Schekel für den Kauf eines Elektromotors für Mussas Olivenpresse geliehen hatte, der am Ende gar keinen Gebrauch davon machte. Doch nachdem Roni seinen Wohnwagen verlassen hatte, bekam Gabi Mitleid. Er fühlte sich ein bisschen schuldig, weil er lieber allein war. Und aus der Distanz fiel es ihm leichter zu sehen, wie desolat die Lage seines Bruders war, und zu verstehen, dass so das Leben der Brüder Kupfer-Nechuschtan war: Sie waren einander anvertraut und ausgeliefert, sie schützten einander, waren einander Familie – jeder Versuch von anderen, sich ihnen anzuschließen, endete mit einem kompletten Fehlschlag. Also kam Gabi fast täglich zu Besuch, schleppte Roni zu einem Spaziergang auf der Ringstraße, sprach mit ihm, zerrte ihn mit Gewalt aus seiner völligen Selbstversunkenheit.
    Die Verzögerung
    Regen peitschte heftig auf den kahlen Hügel ein. Als sie

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