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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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geschrieben stand: »The Best Daddy in the World«. Er konzentrierte sich auf die silbrigen Restfasern, die bis zur Selbstaufgabe in unbekannten Bratpfannen gescheuert hatten, an Eierresten, Toastkrümeln und Bohnensoße aus der Dose, und fragte sich, was davon wohl den größten Verschleiß erzeugte.Säuberte das Spülschwammkissen eine bestimmte Speise lieber als andere? Ein bestimmtes Geschirr? Oder umgekehrt – gab es besonders verhasste Essensreste, kratzend, schmerzend? Welche Art Griff bevorzugte oder hasste es? Gefiel es ihm, wenn man es leicht zwischen zwei Fingern hielt, oder bevorzugte es würgende Umklammerung?
    Plötzlich ging ihm auf, was er da machte. Es war ein geläuterter Augenblick, in dem er sich selbst von außen betrachtete und den einsamen Mann sah, den Junggesellen, in einem windigen, von säuerlich männlichem Geruch durchtränkten Wohnwagen, der neben einem Geschirrhaufen stand und über einem Spülschwamm sinnierte. Er begriff, dass er sich in Spitzfindigkeiten über einen Topfreiniger verlor so wie sein Bruder und seine Gefährten in haarspalterischen Diskussionen über Jakob, Josef und Esau und den Heiligen, gelobt sei er. Wie viel Geschwätz, wie viel Interpretationen und Kommentare über ein paar Geschichten aus der Bibel, und nach einem Jahr dreht sich das Rad, und man interpretiert die gleichen Geschichten von Neuem – in Heftchen, in den Synagogen und Häusern. Wie viel Hirnwichserei war darüber möglich, was man trinken und wie man essen sollte, was man anziehen und was wann sagen sollte, auf welchen Knopf man mit welchem Finger drücken durfte, all die Fragen und Antworten. Am Anfang hatte er das sogar irgendwie bewundert. Er hatte gedacht, es würde vielleicht helfen, das Leben zu ordnen, einem die endlosen Konflikte der säkularen Welt ersparen, die unaufhörlich schwirrenden Fragen – welche Farbe? Zu welcher Zeit? Was sollte man jetzt essen? Doch schließlich hatte er begriffen, dass ihm, trotz der Qualen, die säkularen Konflikte lieber waren. Er konnte nicht nach der zufälligen Interpretation von ein paar alten Büchern leben.
    Roni stieß ein Grunzen aus. Er hasste den Geruch des Spülschwammkissens und den scheuernden Kontakt. Er hasste die Tatsache, dass er von seinem Bruder und dessen Rabbinern gelernt hatte, Haarspaltereien über Schwachsinn zu betreiben. Schluss. Er musste schleunigst hier weg. Morgen früh würde er nach Tel Aviv fahren, endgültig. Ein ganzes Jahr lang hatte er es vermieden: Anfangs fürchtete er die Israelis, deren Geld er in New York durchgebracht hatte. Danach schreckte er vor dem Gedanken zurück, dass er auf ehemalige Kollegen und Mitstudenten stoßen könnte. Nach einer Weile begann er sich mit der Vorstellung zu amüsieren, doch er fand immer neue Ausreden, um nicht zu fahren. Ab irgendeinem Zeitpunkt hatte er sich so an den Hügel gewöhnt, dass er ganz aufhörte, daran zu denken.
    Nachdem Gabi ihn aus dem Haus gewiesen und Mussa es höflich abgelehnt hatte, dass er sich selbst einlud, in der Olivenpresse zu übernachten, und nicht mehr die Rede davon war, ihn durch den Vertrieb palästinensischen Olivenöls an Tel Aviver Feinschmecker zu ernähren, war er dermaßen paralysiert gewesen, so ohne jede Perspektive, ohne irgendeine Möglichkeit, dass er einfach dageblieben war. Er konnte sich nicht vorstellen, zu einer der früheren Stationen in seinem Leben zurückzukehren, und noch weniger, ein neues Leben an einem anderen Ort anzufangen. Die Stille, die minimalen Lebenshaltungskosten, die Gelegenheit, sich weiter von allem zu lösen, überlagerten das Gefühl, dass er nicht erwünscht war. Und abgesehen davon, wie er nach und nach begriff, war er gar nicht unerwünscht. Mussa hatte von seiner Warte aus das Richtige getan. Auch Gabi hatte recht, das gemeinsame Leben war unerträglich. Gabi hatte sich geändert seitdem. Er hatte angefangen, sich um Roni zu kümmern. Kam ihn besuchen. Allein das war schon ein Grund zu bleiben. Nach Monaten, in denen er in seinem kleinen Bruder nur ein Asyl gesehen und seine Lebensweise, seine Wahl und seinen Glauben kritisiert hatte, hatte Roni eingesehen, was für ein Heuchler er war. Jetzt wollte er in der Nähe bleiben und versuchen zu verstehen; seinem Bruder etwas zurückgeben, der ihn trotz seiner Überheblichkeit und Geringschätzung aufgenommen hatte, der für das Geschäftsprojekt, das gescheitert war, auf die Reise nach Uman verzichtet hatte. Er wollte etwas wiedergutmachen.
    Er hatte sich in dem

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