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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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»Was für ein Regen, eh?«, sagte er. Omers Gesicht rötete sich vor Anstrengung. Er gab dem Fahrer weiter Erklärungen. »Sagen Sie mir«, versuchte es der Mann, »wissen Sie, wo das ist, Ma’aleh Chermesch 3?«
    Omer drehte den Kopf von unten zu dem Mann und dem Regenschirm. »Warum, sind Sie Journalist oder so was?«, fragte er, mit einem Anflug von Besorgnis in seinen grüngrauen Augen.
    »Journalist?«, wiederholte der Mann und schnaubte dann mit einem kurzen Auflachen. »Gott bewahre. Ich bin von der Behörde für Altertümer, dem Ressort zur Verhinderung von Antiquitätenraub … egal, das ist etwas kompliziert, auf jeden Fall …«
    »Sie wollen zu Otniel?«, fragte Omer.
    »Woher wissen Sie das?«, wunderte sich der Mann.
    »Nu, haben Sie ihm endlich die Münzen mitgebracht?«
    Der Mann wirkte verwirrt. »Sie kennen Herrn Asis? Woher wissen Sie von den Münzen?«
    »Er ist gerade vorbeigefahren, in einem Renault Express, haben Sie ihn nicht gesehen?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich kenne ihn nicht.«
    »Kommen Sie«, sagte Omer und erhob sich aus der Hocke, während der Fahrer die Schrauben festzog. »Wir bringen Sie zu ihm.«
    Der instandgesetzte David Jeep dröhnte den Hang hinauf, fuhr durch Ma’aleh Chermesch auf die Sandstraße, die es inzwischen, im Auftrag von wer weiß wem, bis zur Vorbereitung auf eine Asphaltierung gebracht hatte, also planiert und verdichtet worden und viel bequemer zu fahren war. Der Fahrer hielt am Torposten von 3, und Omer reichte Joni die Hand. Er verspürte einen bekannten Stich vorweggenommener Sehnsucht, ein Gefühl, das sich immer vor der Entlassung eines Soldaten einstellte, mit dem er eine lange Zeit verbracht hatte und der bald für immer weggehen würde. »Ruf deine Soldaten«, sagte der Kommandeur, »wir gehen diese Dinger aushängen.«
    Diese Dinger, das waren neue Abrissbefehle, die er von der Aufsichtsabteilung der Zivilverwaltung erhalten hatte. Sie ähnelten den Befehlen, die bereits vor einem Jahr an dieselben Wände gehängt worden waren, doch diesmal trugen sie die endgültige Bestätigung des Obersten Gerichtshofs. Der Beschluss des Sicherheitsministers, auf jener Besprechung gegen Ende des Sommers, den Stützpunkt unverzüglich zu evakuieren, hatte eine Verzögerung erfahren – Petitionen, Einsprüche, Regierungs- und Kabinettsdiskussionen und andere Zeitschindereien, die auch lange Interpretationen und Analysen der Bedeutung des Wortes »Kusch!« beinhalteten. Doch gemäß den neuen Befehlen würden die Bewohner von Ma’aleh Chermesch 3 wirklich und endlich, tatsächlich und endgültig gezwungen sein, den Hügel innerhalb von zehn Tagen zu räumen. Omer und seine Mannschaft, zusammen mit Joni und seinen Soldaten, gingen in dicken Parkas von einem Wohnwagen zum anderen, von Haus zu Haus, brachten schweigend die Papierbahnen mit Hilfe eines Spezialklebers an, wie Arbeiter Veranstaltungsplakate an einer städtischen Anzeigentafel. Der Wind heulte, und niemand störte sie, alle hatten in ihren Häusern an den Heizöfen Zuflucht genommen. Nur als sie sich Gavriels »Zimmer « näherten, öffnete sich die Tür, doch Gabi sagte kein Wort. Stand nur da, mit schütterem, wirrem Bart, seine große Kipa rührte sich nicht trotz des Windes, und blickte in die Augen des Offiziers. Omer musterte das Zimmer, und nach ein paar Sekunden sagte er: »Lasst das, das ist eine andere Geschichte. Bei dem wird ein Befehl zur Arbeitseinstellung rausgehen.« Er drehte sich um und kehrte zum Jeep zurück, während er Gabis Blick in seinem Rücken spürte.
    Das Spülschwammkissen
    Am Ende der Woche stand er auf dem geplünderten Linoleumboden, die Hände im Spülbecken, und begann den Geschirrhaufen abzuspülen, der sich angesammelt hatte. Eine durchschnittliche Familie spülte eine solche Menge nach jedem Essen ab, doch das war kein Trost für ihn, während er die Temperatur des Wassers überprüfte, das im Winter nie heiß genug und im Sommer nie kalt genug war, und sich an die Arbeit machte. Er betrachtete einen Moment das Spülschwammkissen, das vollgesogen mit altem Wasser und so abgerieben war, dass es seine silbrigen Noppen verloren hatte und nur noch ein fadenscheiniges Weiß aufwies, in dem innerhalb der nächsten Tage ein Loch aufreißen würde, aus dem Schwammfasern rieseln würden, bis es sich selbst zwischen dem einfachen Geschirr aufgelöst hätte, das er von hier und da eingesammelt hatte – drei Teller, bunt gemischtes Besteck und eine Tasse, auf der

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