Auf fremdem Land - Roman
er Sehnsucht nach Ma’aleh Hachermesch haben, wie er den Ort irrtümlich in seinem ersten halben Jahr hier genannt hatte.
Ihm fiel der merkwürdige Zwischenfall ein, der sich am Morgen mit Neta Hirschson ereignet hatte. »Geht weg, ihr Schurken!«, hatte die Kosmetikerin die Soldaten angeschrien. »Schämt euch! Böse Gewalt!«
Der neue Fahrer von Kommandeur Omer Levkovitsch richtete einen erschreckten Blick auf sie.
»Nicht beachten«, sagte Omer zu ihm, der mitten in einem Telefongespräch mit dem Hauptquartier war, während seine und Jonis Soldaten die Befehle aushängten.
Doch Neta lokalisierte die weiche Stelle und richtete ihre geschliffenen Pfeile darauf: »Du! Haben sie dich so erzogen? Menschen aus ihrem Haus zu vertreiben? Familien? Kinder? Du schaust mir aus, als ob du in einem guten Haus aufgewachsen bist. Lass dich von ihnen nicht in diese Verbrechen reinziehen. Verweigere den Befehl!«
Der Fahrer versuchte, die kleine Frau, die ihn anschrie, nicht anzusehen. Hauptmann Oren sagte wieder: »Nicht reagieren, die ist immer so.« Der Regen fiel, die Befehle wurden nass und rissen ein, der Wind war eisig, und Neta, in ihren Mantel eingewickelt, brüllte ein letztes »Widersacher!«, fiel plötzlich auf die Knie und erbrach sich. Der verstörte Fahrer machte seinen Vorgesetzten darauf aufmerksam. »Immer so?«, fragte er. Omer eilte zu ihr, legte eine Hand auf ihre Schulter und fragte, ob alles in Ordnung sei, und als sie nicht kratzbürstig reagierte, begriff er, dass sie nicht immer so war, und begleitete sie zum nahen Wohnwagen.
Joni erwog, zum Wohnwagen von Jean-Marc und Neta zu gehen, um nachzuschauen, wie es ihr ging, aber er beschloss, dass der Tag für solche Höflichkeitsbesuche zu sehr belastet war. Keine Menschenseele war draußen, und die Dämmerung senkte sich herab. Sassons Kamelstute vertiefte sich in ein paar Gräser, und die Hündin Kondi schloss sich Joni auf der Runde an, wedelte mit dem Schwanz und genoss sein Streicheln. »Auch nach dir werde ich Sehnsucht haben«, flüsterte ihr Joni zu, doch da fing er im Augenwinkel eine Bewegung ein, hob den Kopf und rief: »Hallo! Was machst du da? Also wirklich!«
»Vergiss es, nu, du wirst in einer Woche entlassen. Drück ein Auge zu«, versetzte Josh.
»Wir haben diese Befehle nicht im Regen ausgehängt, damit du nachher kommst und sie wieder runterreißt. Es ist egal, wann ich entlassen werde. Das sind Befehle mit der Unterschrift des Staates Israel.«
»Genau«, lächelte Josh. »Bloß Befehle des Staates Israel. Es gibt stärkere Befehle als das, von höherer Stelle.«
»Das ist verboten, das darfst du nicht machen«, erwiderte Joni, nicht sicher, was der Amerikaner meinte.
»Verboten?«, grinste Josh verächtlich. »Verboten ist es, Leute aus ihren Häusern zu vertreiben. Deine Armee wird uns nicht sagen, dass wir nicht in unserem Haus wohnen können. Und du schon gar nicht. Ich bin nicht nach Nine Eleven aus Boro Park gekommen, damit so einer wie du mir sagt, wo ich hingehen muss. Ist dir das klar? Also jetzt, kusch …!« Josh endete mit ein paar schnellen englischen Worten, die über den Kopf und die Pelzmontur des kleinen äthiopischen Soldaten hinweggehen sollten. Doch Joni kannte die Worte, die der Rothaarige benutzt hatte. Und ganz sicher das Wort »kusch …«, das im ganzen Land modern geworden war, seit es dem Sicherheitsminister letzten Sommer am Hügel herausgerutscht war.
Joni rief Omer an und berichtete ihm von Josh. Joni wusste das Schweigen am anderen Ende der Leitung zu deuten, kannte den langsam hochbrodelnden Zorn des Kommandeurs. Meistens war er wie ein Dampftopf, der nach dem Kochen geschlossen blieb und dann abkühlte, doch unter den richtigen Bedingungen – wenn er zum Beispiel ein misslungenes Date hinter sich hatte, einen platten Reifen im Regen repariert, im stürmischen Wind Räumungsbefehle angebracht hatte, hörte, dass ein respektloser Rowdy einen Soldaten, der ihn schützte, verflucht und beleidigt hatte – war es gut möglich, dass Hauptmann Omer Levkovitsch explodierte.
Als Joni die Verbindung trennte, provozierte ihn Josh: »Was ist los, Baby, hast du Papa gerufen, damit er zu Hilfe kommt? Papa ist beschäftigt und kann nicht kommen?« Josh griff nach einem weiteren Befehl, an der Seitenwand des Wohnwagens von Scha’ulit Rivlin, und riss ihn herunter. Joni setzte seinen Weg fort und ignorierte die selbstberauschten Siegesschreie Joshs hinter ihm.
Omer traf mit seiner Mannschaft im Jeep ein,
Weitere Kostenlose Bücher