Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
Vom Netzwerk:
begreifen, dass Herzl ihn gelenkt hatte. Herzl, der Zaddik mit dem guten Herzen, der im strömenden Regen gekommen war, damit die Siedlungsbewohner am Schabbat in einer ordentlichen, sauberen und komfortablen Synagoge beten konnten, der im Regen gekommen war, um Gabi zu einem besseren Menschen zu machen, um ihm zu helfen, die Sünden der Vergangenheit zu bewältigen, gelobt sei sein Name, danke, o Herr, dass du ihn mir geschickt hast, in deiner Weisheit behütest du mich und errettest mich, und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.
    Herzl ging für längere Zeit hinaus, und Gabi blieb und betete mincha , das Nachmittagsgebet. Er fragte den Heiligen, gelobt sei er: Was tun mit einem Menschen, der mich jederzeit als den Verbrecher identifizieren kann, der einmal eine Schockgranate in sein Zimmer geworfen hat, während er schlief, und ihm ein geschädigtes Gehör, Angstzustände und Kontrollverlust über die Schließmuskeln beschert hat, und nun ist er ein Zaddik, der hilft, die Siedlung, den Kindergarten und ein Dach für Familien zu bauen, und der das Gebetshaus saniert. Der Heilige, gelobt sei er, gab ihm die harte, aber einzig richtige Antwort darauf, und Gabi beendete das Gebet, dankte ihm und küsste das Buch der Thora. Er arbeitete weiter, mit schwacher Kraft, jedoch feurigem Glauben, bis Herzl zurückkam und frohlockend sagte: »Mein Bruder, jetzt setzen wir zum Endspurt an, und dann richten wir euch ein Zuckerstückchen von Synagoge für den Schabbat her!« Gabi schwieg. Herzl fragte überrascht: »Was ist los, dein Gesicht ist ganz grün, Gavriel?«
    Wie so oft an den Nachmittagen im Winter begann der Wind heftig zu pfeifen. Betonwürfel, Container und Wohnwagen bewegten sich, Gurte und Seile peitschten gegen Wände. Sogar die mit grobem Jerusalemer Stein verkleidete Synagoge zitterte.
    Herzl und Gabi arbeiteten schweigend an den letzten Balken, bis Herzl sagte: »Ich hätte ja irgendein kleines Radio mitgebracht, aber vielleicht ist das nicht passend im Gotteshaus.« Er erzählte von einer Kleinkinderkrippe, die er gebaut hatte, bezeichnete sie als »saubere Arbeit«. Dann herrschte wieder Schweigen, und Gabi versuchte, sich an seinen Schöpfer zu wenden, schwach und feige, wissend, was er zu tun hatte, jedoch unfähig dazu.
    Ein paar Minuten darauf sagte Herzl: »Das war’s.« Und dann: »Komm noch mit in den Kindergarten, die Kleinen sind heimgegangen. Ich will ein paar Sachen richten, um die mich Nechama gebeten hat.«
    Sie stapften durch die großen Schlammpfützen, die den Hügel überzogen. An den Wohnwagen waren die ausgehängten Verwaltungsbefehle zu sehen. Die Kälte war grimmig, keine Menschenseele war draußen. Gabi fragte sich, ob das der richtige Zeitpunkt sei, und er beschloss, ja, das war der Augenblick. Er öffnete schon den Mund, doch da klingelte das Telefon mit der Nokiamelodie. Nathan Eliav, der Sekretär von Ma’aleh Chermesch, wollte Herzl ein paar Aufträge geben. Herzl erwiderte: »Sicher, Bruder, red mit dem Doktor Chilik, ob er mich nächste Woche für dich freigibt.« Zu Gabi sagte er: »Du liebe Zeit, ich muss noch hierherziehen mit der ganzen Arbeit, die ihr mir gebt.«
    Im Fertigbauwürfel des Kindergartens nahmen sie sich der Türen und Steckdosen an, schlossen ein Loch, das unter der Eisentreppe gähnte. »Ich schulde dir das Ende der Geschichte«, sagte Herzl auf einmal, »wo waren wir?«
    Gabi antwortete: »Deine Frau hat sich unschön benommen. Du hast deinen Sohn aus der Schule abgeholt. Aber du hattest keine Chance.«
    » Wallah , du hast zugehört, eh? Also dann. Ich hatte keine Chance. Die Brüder meiner Frau haben mich am gleichen Abend erwischt. Ich hab keine Ahnung, woher sie gewusst haben, wo ich hingefahren bin. Sogar ich hab ja nicht mal gewusst, wo ich hinfahre, ich bin einfach bloß nach Norden gefahren, bin bis in den Galil gekommen, ana aref , was weiß ich, hab ein Schild für ein Zimmer gesehen und bin rein. Nach zwei Stunden waren sie da. Haben den Jungen weggebracht, und dann sind sie mit Schlagstöcken gekommen und haben mir die Hände geschreddert. Weißt du, was das ist, geschreddert? In Stücke zerschmettert, Kleinholz gemacht. Sie haben gesagt, damit ich nicht dran denken würde, Kinder zu klauen oder ihre Schwester zu schlagen, als ob ich sie je geschlagen hätte, ich hab sie nie angerührt. Sie war diejenige, die sich unschön benommen hat. Jedenfalls, sie haben den Jungen mitgenommen, er hat

Weitere Kostenlose Bücher