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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Lehrstunde, die ich einmal gehört habe«, sagte Scha’ulit, »sagte der Rabbiner, dass die Sehnsucht der Antrieb der Welt sei. Der Anfang und das Ende. Man kann vor lauter Schmerz, den die Sehnsucht enthält, zerbrechen. Was wir auch immer tun, wir sind Gebrochene. Rabbi Nachman hat aus der Sehnsucht Musik hervorgebracht. Das Herz zieht sich zum Schlag zusammen und löst sich. Sehnsucht kommt und geht.«
    Das Telefon klingelte im Haus, und Scha’ulit verschwand im Inneren. Gabi hörte: »Ja, Chedwa«, und: »Was für ein wahnwitziger Tag, was?« Dann Schweigen, für die ungefähre Dauer von drei Sätzen, und schließlich: »In Ordnung, Chedwa, aber sicher, ich komme.« Gabi erhob sich und trat auf den Eingangspfad, und dort erblickte er Joni, der etwas trug. Eine Welle von Zorn schlug über ihm zusammen, man hatte ihm erzählt, mit welcher Inbrunst Joni die Zerstörung des Zimmers betrieben hatte. Gabi drehte sich um und sah Scha’ulit, die mit einem Tablett mit einer Kanne Tee und Halwakeksen aus dem Haus kam. Sie sagte, dass sie am Mittag eine Personalsitzung in der Schule habe – hörte er Enttäuschung in ihrer Stimme? Rührte die Enttäuschung daher, weil ihre Unterhaltung abgeschnitten worden war? Das fragte er sich, doch die Kekse sagten ihm – wir haben noch ein bisschen Zeit zusammen.
    Sie setzte sich wieder neben ihn und erzählte von der Sehnsucht nach ihrem Vater, von dem Schmerz. Sie schenkte noch einmal Tee ein. Bot ihm noch einen Keks an, verzog genervt das Gesicht, als das Telefon erneut klingelte. Nach jeder Unterbrechung erinnerte sie sich, an welcher Stelle er stehengeblieben war, hatte jedes Wort gehört. Und verstanden. Sie hatten das Gefühl, vom gleichen Stamm zu sein.
    »Ich denke immer an die Entscheidungen, die wir treffen«, sagte er. »Letztendlich ist nichts zufällig, es muss etwas Lenkendes geben, wie würden sich die Dinge sonst regeln. Alle Entscheidungen, die bei Anna und mir dazu geführt haben, an jenem Bahnsteig in der New Yorker Untergrundbahn im gleichen Augenblick anzukommen – und alles, was seitdem passiert ist, das Zusammensein, die Rückkehr nach Israel, das Kind …« Ständig wiederhole er diese Gedanken, wälze sie hin und her, frage sich, ob eine andere Ereigniskette, die anderen Entscheidungen seinerseits entsprungen wäre, anders geendet hätte.
    »Du kannst dich nicht mit den Entscheidungen martern, die du getroffen hast. Wir sind so winzig klein. Wir haben nicht die Fähigkeit, Dinge zu beeinflussen. Auch Rabbi Nachman hat Söhne in seinem Leben verloren. Das ist segensreiche Bestimmung. Und eines Tages wird er zu dir zurückkehren, du wirst sehen.«
    Er nickte. »Das stimmt. Ich habe begriffen, dass jemand die Dinge lenkt. Anders kann es nicht sein. Anders kann man unmöglich leben. Und in dem Moment, in dem ich das verstanden habe, hat sich plötzlich alles in ein Muster eingefügt. Ich habe auf mein Leben zurückgeschaut und überall die göttliche Vorsehung gesehen … Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir. Der Schmerz lässt nicht nach, aber man begreift, dass er Teil einer Logik ist. Und so überwindet man ihn. Denn ich bin nicht umsonst hier. Ich habe eine Aufgabe in der Welt. Nicht umsonst hat mich der Herr der Welt vor diese Prüfung gestellt …«
    »Das ist ja so richtig«, bestätigte Scha’ulit, als Neta Hirschson den Pfad betrat und auf sie zuging. Ihr Gesichtsausdruck ließ klar erkennen, dass sie nicht auf die Situation, die Intimität, die Traurigkeit achtete, in die sie eindrang, auf das Treffen der beiden, das zwar weder heimlich noch ungebührlich war, aber dennoch nicht unbedingt erwünscht und das möglicherweise zu hochgezogenen Brauen hätte führen können – Neta zog keine Braue hoch, sondern sagte: »Freunde, ein Fest!« Und angesichts der versiegelten Gesichter des zerstörten Augenblicks fuhr sie fort: »Es ist vorbei mit Weinen, Leiden und Trauern. Gleich ist Purim, und ich organisiere ein Fest. Wir werden das Fest bei uns feiern, und auch fünf Jahre Besiedlung des Bodens. Und um uns zu einen gegen die Vertreibungen, Zerstörungen und die Befehle. Und um allen zu zeigen, dass wir fröhlich und alle zusammen sind. Und« – auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, sie ließ ihren Blick zwischen den beiden Zuhörern hin und her wandern, schloss dann die Augen und reckte den Kopf empor – »ich bin schwanger, gelobt sei sein teuerer und großer Name.«
    »Viel

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