Auf fremdem Land - Roman
die Siedlung endlich ans Stromnetz. Ist Zeit geworden, oder?«
»Aber …« Omer wollte und konnte die Tatsache, dass die Siedlung sehr bald keinen Strom mehr brauchen würde, nicht offenbaren, und Herzl Weizmann war sowieso nicht der geeignete Mensch für diese Konfrontation mit der Wahrheit. »Woher kommt das? Ich meine, wer …«
»Hören Sie«, erwiderte Herzl, »ich weiß bloß, was ich weiß.«
»Und was wissen Sie?«, fragte Omer.
»Dass Nathan Eliav angerufen und mich gebeten hat, heute früh zu kommen und den Kameraden von der Stromgesellschaft zu helfen und für sie den Unterbau zu machen.«
Omer drehte sich um und entfernte sich, während er auf die Tasten seines Mobiltelefons drückte. Ein kleiner Menschenauflauf entstand um den Lastwagen, und Freudenbekundungen waren zu hören. »Wie passend, an Purim!«, sagte Neta Hirschson, unter deren Achselhöhlen zusammengerollte Kartonpapiere steckten. »Für die Juden aber war Licht und Freude! Sagt mal, warum können die von Bezek die Leitungen hierher nicht auf dem Weg verlegen? Cellcom ist am Boden, und die Palästinenser mit ihrem Pal-tel dominieren die ganze Zeit den Empfang, ganz zu schweigen vom Preis …«
Der Regimentskommandeur, der Brigadekommandeur, der Divisionskommandeur und der Befehlshaber des Zentralkommandos zeigten sich überrascht. Der Sicherheitsminister wusste von nichts. Sein Assistent Malka dachte, er habe etwas von Strom in irgendeinem Stützpunkt läuten hören, aber sicher war er sich nicht. Der Leiter des Schabak, des Nachrichtendienstes, tappte im Dunkeln. Ein schneller Telefonrundruf erbrachte für Omer folgende Information: Uriel Zur, inzwischen stellvertretender Touristikminister, hatte sein ganzes Gewicht geltend gemacht bei seinem Parteifreund, dem Energieminister – und Mitglied der Synagoge im gleichen Jerusalemer Viertel, mit dem er vor Jahren zusammen in der Jeschiva gewesen war –, der gerade an jenem Morgen mit dem Infrastrukturminister in ähnlicher, wenngleich anderer Sache zusammenkam, und ihn davon überzeugt, die vorläufige Genehmigung zu unterschreiben, eine Stromleitung von der Siedlung Ma’aleh Chermesch zum Stützpunkt Ma’aleh Chermesch 3 zu legen, der seinen Generator eingebüßt hatte.
»Wissen diese ganzen Leute, dass der Stützpunkt in zwei Tagen geräumt wird?«, fragte Omer seinen Brigadekommandeur.
»Sicher«, erwiderte der Brigadekommandeur. »Aber es wird eine Kältewelle in den nächsten Tagen erwartet. Sie wollten sie nicht ohne Strom lassen. Es ist unmöglich, israelische Staatsbürger so den Härten der Natur auszusetzen. Wir sind schließlich keine Unmenschen, nicht wahr? Es ist einfacher, eine Leitung zu legen, als einen neuen Generator hinzubringen. Niemand hat Geld für einen Generator. Und Genehmigungen, jetzt einen Generator aufzustellen, mit der Einfrierung, daran glaubt kein Mensch. Außerdem, das wird ihre Wachsamkeit einschläfern. Sie werden zwei Tage nach dem Stromanschluss keine Evakuierung erwarten. Oder etwa nicht?«
»Aber wissen es die Minister und der Befehlshaber des Zentralkommandos?«, machte Omer noch einen Versuch.
»Ja, ja, alle wissen es. Das heißt, wer es wissen muss …«
Omer beendete das Gespräch und drehte den Kopf wieder der Versammlung zu. Joni neben ihm sagte: »Jetzt fällt ihnen ein, Strom zu legen? Schschsch-scheibenkleister.« Neta Hirschson trat an die Anzeigentafel in der Spielplatzanlage.
Omer folgte ihr mit seinem Blick, kniff die Augen zusammen. »Komm, Joni, gehen wir mal nachschauen, was sie dort macht.«
Sie hängte ein großes Kartonpapier neben den Zerstörungsbefehl, der sich gut behauptet hatte. Sie bemerkte, dass Omer und Joni hinter ihrer Schulter standen, und ignorierte sie zuerst, doch dann bat sie Joni, mit einem Finger draufzudrücken, damit sie einen Reißnagel befestigen konnte.
»Was ist Adlojada?«, fragte der Soldat. Neta überging die Frage, aber Joni las den Rest der Ankündigung. »Ah! Das ist an meinem letzten Tag hier. Du machst ein Fest zu meinem Abschied?«
Neta beschäftigte sich weiter mit den Reißnägeln und gab keine Antwort. Doch dann entschloss sie sich, den Boykott zu beenden und wandte sich Joni zu. »Sicher, komm, warum nicht, vielleicht verkleidest du dich auch mal als Mensch.« Anschließend wandte sie sich an Omer. »Und du kannst dich ja vielleicht als Soldat der israelischen Verteidigungsarmee verkleiden, der die Bürger seines Staates vor den Arabern schützt, statt sie zu vertreiben? Schäm dich,
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