Auf fremdem Land - Roman
diese Woche ist Schabbat Zachor – denke daran, was die Amalekiter Israel angetan haben. Du bist Amalek, der Hass.«
Omer, der verdutzt mit den Augen blinzelte ob der Einladung, grinste. »Wollen Sie das hier am Spielplatz machen? Mitten im Winter? Sind Sie verrückt geworden? Haben Sie nicht gehört, dass Frost erwartet wird?«
»Schaut mal an, wer da fragt, ob ich verrückt geworden bin. Ich hab’s gehört. Ich hab keine Angst. Die Wärme in unseren Herzen wird uns warm halten. Komm, freu dich, es wird Überraschungen geben, es wird lustig sein. Misch dich ein bisschen unter dein Volk, was ist?«
Neta hatte es geschafft, ein bescheidenes Budget von Nathan Eliav und Otniel bewilligt zu bekommen. Sie schickte Jenia Freud los, um Hamantaschen zu backen und andere Happen zuzubereiten, rief eine Jerusalemer Tonfirma an, um einen Discjockey und ein Soundsystem zu bestellen, organisierte ein freies Fahrzeug und einen Fahrer, der sie nach Jerusalem fahren würde, um Preise für den Kostümwettbewerb und Rasseln für die Verlesung der Esterrolle einzukaufen. Dann hatte sie sich des Unterhaltungsteils des Abends angenommen: Sie rief Coco an – der Gerüchteküche nach ehemals Platz 2 für Frankreich in irgendeiner Eurovision in den Siebzigerjahren –, die neo-orthodox geworden und nach Israel eingewandert war, sich in Ma’aleh Chermesch niedergelassen hatte und hin und wieder als Countrysängerin mit einem Nachbarn auftrat, der phantastisch Banjo spielte. Coco jedoch, der Herr erbarme sich, war an Krebs erkrankt, unterzog sich Behandlungen im Hadassa-Krankenhaus und würde, mit Hilfe des Herrn, erst in einigen Monaten wieder auftreten, also schloss Neta mit der Hochzeitsband DieKolonisatoren aus Ma’aleh Chermesch ab, die versprachen, dass es fröhlich zugehen würde, und ihr einen Rabatt »zu Ehren des Geburtstags von Gimel«, Ma’aleh Chermesch 3, gaben.
Omer betrachtete die große Ankündigung mit anerkennendem Staunen. »Adlojada! Ein großes Purimfest!«, verkündete sie. »Tage von Gastmahl und Freude! Fünf Jahre Ma’aleh Chermesch 3! Vereinen wir uns gegen Haman, den Bösewicht, und das Vertreibungsurteil! Für die Juden sei Licht und Freude im Lande Israel! Kostümwettbewerb! Die Gruppe Die Kolonisatoren!« Omer ließ seinen Blick ein paar Zentimeter nach links gleiten, von der Einladung zu dem Zerstörungsbefehl: Das Datum war dasselbe, der 28.2.2010, auch das hebräische Datum, der 14. Adar 5770, um Missverständnisse zu vermeiden, die Botschaft allerdings ein bisschen anders. Was für eine Schizophrenie, dachte er. Er schüttelte verwundert den Kopf.
»Kommt, kommt nur«, milderte Neta ihren Ton. »Wir feiern auch den Stromanschluss und den Abschied von Joni, wenn ihr wollt. Und auch …« Sie streichelte stolz ihren Bauch. Es würde noch eine Weile vergehen, bis er sich herauswölbte, doch der ganze Hügel wusste schon Bescheid über die Schwangerschaft, von der Erfüllung ihrer Gebete durch den Heiligen, gelobt sei er, von der Quittendiät, die ihr die Heilerin angeraten hatte, von der Empfehlung der Rabbinerin, den Namen ihres Mannes in Israel zu ändern und ihrem Namen noch Bracha, die Gesegnete, hinzuzufügen, nach derjenigen Bracha, die mit dem Wasser aus dem Jordan gesegnet wurde. Neta murmelte: »Gepriesen sei sein Name«, und hob die Augen zum Himmel, und die beiden Soldaten folgten instinktiv ihrem Blick. Dann straffte sie die Kapuze auf dem Kopf und ging weg.
Das Fest
Der Frost landete im Laufe der Nacht auf dem Hügel, und am Morgen jenes Tages funkelte er in millionenfacher Brechung zwischen Erdschollen, Arbeitsgerät und Kakteen, auf umgekippten Kinderfahrzeugen und Autofensterscheiben. Der Tag schlug mit breitem Gähnen die Augen auf, und es sollten Stunden vergehen, bevor er den Frost abstreifen würde. Neta Hirschson schnitt sich, nach dem morgendlichen Erbrechen, behutsam eine Birne auf, trank Apfelsaft in winzigen Schlückchen, und bevor sie hinausging, führte sie letzte Nachbesserungen an ihrem Kostüm durch und schaffte es sogar noch, ein aufgebrachtes Talkback in den zu linkslastigen Raum des Internet zu versenden. Ihr Mann Jean-Marc erinnerte mit dem Segen über seiner Mahlzeit an die Rettung der Juden durch Ester, an das Purimwunder, stellte dem morgendlichen schmone-esre den Zusatz al hanissim , von den Wundern, voran, und dann verschlang er ein Frühstück mit Eiern und Toast, einem Croissant mit Butter und Marmelade und hatte noch Platz für Cornflakes mit Milch.
»Ich
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