Auf fremdem Land - Roman
gekommen, oder nicht?«
Die Sonne brannte weiß über den flimmernden Bergen. In den letzten Wochen waren die Tage träge verstrichen, länger geworden, hatten zunehmend ihre Kühle verloren. Die Hügel hatten sich zur Freude der Ziegen und Schafe aller Nationalitäten mit einem grünlichen Schleier von Sauerklee überzogen. Hinter Ariel und Roni entfernte sich der Stützpunkt Ma’aleh Chermesch 3, vor ihnen rückte das Dorf Charmisch näher, und dazwischen erstreckten sich die Olivenbäume von Mussa Ibrahim, fingen die langen Sonnenstrahlen ein, die in den nächsten Monaten immer intensiver werden und die Bäume Früchte tragen lassen würden, die sich an kleinen Büscheln bereits erahnen ließen. Dieses Jahr würde, wie es aussah, Mussa Ibrahim eine maximale Ernte bescheren, und wenn man ein Geschäft abschließen wollte, lohnte es sich, das jetzt, zeitig genug vor der Olivenernte im Herbst zu tun.
Schweiß bedeckte Ariels Stirn, seine Augen waren jetzt hinter einer schwarzen Sonnenbrille versteckt, die seinen Schädel einfasste. »Sie sind nicht feindselig? Bist du sicher?«
»Beruhig dich, Kleiner. Mussa!«
Mussa kam, Willkommensgrüße wurden ausgetauscht, allerlei ahlans und sahlans , Hände gedrückt, und Ariel bemühte sich mit flatterndem Herzen, keine allzu misstrauischen Blicke um sich zu werfen. Sie probierten ein dunkles Öl mit intensivem Geschmack, und dann sagte Roni zu dem Araber: »Komm, zeig uns, wovon wir geredet haben.« Sie gingen die Flurlinie zwischen Dorf und Olivenhainen entlang und bogen dann in die Gassen ein. Ariel versteifte sich, blickte nicht um sich, bewahrte Augenkontakt mit Roni, der in diesen Augenblicken für ihn der einzige Vertreter der sicheren und bekannten Welt war.
Mussa sagte: »Also, wie ich dir gesagt habe, solche Ölpressen gibt es vielleicht noch zwei in der Westbank. Das ist die alte, mit den Steinen. Man macht Öl heute nicht mehr so. Das ist von früher.« Zwischen seinen Fingern hielt er eine Zigarette, die in einer schwarzen Plastikspitze steckte.
»Ja, ja«, ermutigte ihn Roni. »Mahlsteine, das wollen wir sehen.«
Mussa fuhr fort: »Mein Vater hat viele Jahre damit gearbeitet, hat Öl fürs ganze Dorf gemacht. Vor zwei Jahren war seine Kraft am Ende. Viel Arbeit, viele Leute für den Betrieb und wenig Öl. Jemand im Dorf hat ein elektrisches Gerät gebracht, und alle haben bei ihm ihre Oliven machen lassen, ich auch. Jemand ist gekommen und hat meinem Vater viele Dollars für jeden einzelnen Stein angeboten. Aber er wollte nicht. Er wollte weiter mit seiner Nargila danebensitzen und rauchen, und er hat gesagt, man muss damit weitermachen, in der Familie arbeiten. Ich hab gesagt, Vater, nimm das Geld, wir machen das Öl elektrisch, er hat nein gesagt, tausend Jahre haben sie es in der Familie so gemacht, auch du wirst weitermachen und nach dir dein Sohn.«
»Klar«, sagte Roni, »er hat recht. Das ist das Traditionelle, das Wahre.«
Mussa schenkte Roni einen müden Blick, der paralysierte Ariel versteckte sich hinter seiner Sonnenbrille, obwohl es schattig in den schmalen Gassen war.
Mussa zog einen dicken Schlüsselbund heraus und sperrte das Vorhängeschloss auf, das an einer Wellblechtür hing. Die Tür öffnete sich kreischend. Er drückte auf einen Schalter, und eine fahle Glühbirne flammte an der Decke auf. Ein schwerer, staubiger Geruch fiel sie an. Der Raum war dämmrig, der Fußboden blanke Erde. Zwei Mahlsteine standen in einem breiten Wannenbecken, ebenfalls aus Stein. Mussa erklärte: »Man holt die Ernte mit der Hand und mit Stecken und Kammrechen vom Baum auf die Zeltplanen, von dort in Säcke, und dann auf die Eselsrücken zur Olivenpresse – das beste Öl ist direkt vom Baum zum Stein, min asch-schadschar ila-l-hadschar . Die Frauen lesen die Oliven aus, klauben Schmutz und Blätter raus, trennen die guten von den schlechten und die grünen von den schwarzen. Danach werden die Oliven mit dem Stein zerstampft.«
»Was ist mit Waschen?«, fragte Ariel.
»Es gibt hier diesen Spülschlauch, den man an Wasser anschließen kann«, Mussa zeigte auf einen dünnen, braunen Gummischlauch. »Aber Wasser gibt es in den letzten Jahren nur wenig und schwach. Und meine Mutter sagt, dass Abwaschen sift at-tin , ganz schlecht ist, alles an Geschmack und Farbe aus dem Öl zieht. Sie sagt, dass der Staub und die Erde den wahren Geschmack ausmachen. Es reicht Regen fürs Abspülen. Meine Mutter und mein Vater sind nicht bereit, ein anderes Öl zu
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