Auf fremdem Land - Roman
seiner Frau aus, streichelte ihre Bauchkugel, und bevor er sich entschieden hatte, ob er die Kommentarseite in der Jediot acharonot oder noch zwei Seiten in Koestlers Buch lesen sollte, überwältigten ihn tiefe Atemzüge, und er sank in den Schlaf.
Im Haus der Familie Asis herrschte der übliche Tumult. Schuv-El saß auf Gittits Schoß, sie sprachen den Tischsegen bore pri , und sie versuchte ihn mit Salat zu füttern, den er nicht wollte. Er wollte nur »Affelsaff«, den er gierig trank, nachdem er ihn bekommen hatte. Otniel aß den Salat mit einem Löffel und telefonierte dabei mit seinem Vertriebslieferanten Moran. Er schrie: »Jakir, wie viel Labane haben wir für morgen bestellt? Ah, nein, Jakir, Cherrytomaten, wie viele Cherrys für morgen? Was? Beides? Könnt ihr vielleicht mal ein bisschen leiser sein? Chanania!«
Sein Sohn Jakir rief zurück: »Sekunde!« Er war im Internet, in dem Spiel Second Life , in dem sich jeder Teilnehmer selbst eine graphische Figur gestaltete, die in der virtuellen Welt herumspazierte, Equipment sammelte – vom Schnürsenkel bis zum Haus – und Kontakte mit anderen Figuren knüpfte. Jakir hatte sich in Second Life die Gestalt eines Siedlers gegeben, der eine Spur wie er aussah, jedoch bärtig, und er hatte ein paar Freunde gefunden, virtuelle Abbilder zionistischer und gläubiger Juden wie er, mit denen er sich auf einer Insel niedergelassen hatte, die sie »Wiedererrichtung« nannten. Er hatte eine Synagoge mit ihnen gebaut, wo sie zusammen beteten und redeten, sie trieben sich gemeinsam herum und schürten die Glut.
Seine Mutter, Rachel, sagte zu seinem Vater: »Warum sitzt Jakir am Computer? Er muss zu Abend essen. Jakir! Komm essen, lass den Computer jetzt!«
Otniel entgegnete: »Einen Moment noch, Moran ist in der Leitung, es ist wichtig!«
Jakirs Gefährten waren gerade dabei, Islam-online einen Besuch abzustatten, eine der muslimischen Lokalitäten in Second Life , um bei den Arabern Unruhe zu stiften. Jakir entschuldigte sich, dass er nicht teilnehmen konnte, und loggte sich aus, überprüfte rasch die Bestellungen und kam an den Tisch, exakt in dem Moment, als Chanania Emuna vom Stuhl schubste und ihr Kopf ans Tischbein knallte, worauf sie in Geheul ausbrach und dabei den fehlenden Zahn in ihrem Mund enthüllte, bis Schuv-El von Gittits Knien herunter wollte, um lieb zu ihr zu sein, während Debora Jakir den Salat empfahl, er sei ausgezeichnet, Jakir darauf fragte, was es noch gebe, Gittit antwortete, Joghurt, und Rachel befahl: »Chanania, du entschuldigst dich jetzt sofort!«
Neta Hirschson sagte zu Jean-Marc: »Ich weiß nicht, was wir diesen Schabbat wegen meiner Schwester machen sollen. Sie isst glatt koscher. Meinst du, ich muss sie deswegen fragen? Vielleicht fragen wir den Rabbiner, was wir machen sollen?«
»Vielleicht kaufen wir einfach glatt koscheres Essen?«, erwiderte er zögernd. Jean-Marc war als vollkommen Säkularer in der Küstenregion geboren. Sein Vater, der aus Frankreich nach Israel eingewandert war, und seine Mutter, Tochter einer Partisanin und eines Kibbuzniks, waren Mitbegründer von Ma’aleh Chermesch in den Siebzigerjahren gewesen.
»Und was ist mit dem Besteck?«, insistierte Neta.
»Frag den Rabbiner.«
Nach dem Essen kochte Neta Kaffee, schnitt Kuchen auf und fragte: »Meinst du, es lohnt sich, sie mit Gavriel bekannt zu machen?«
»Welcher Gavriel?«
»Nechuschtan.«
»Gabi? Bist du verrückt geworden? Er ist ein Neo-Orthodoxer.«
»Das bist du auch«, versetzte die Tochter des Rabbiners von Ofra und einer Mutter, die bei den ersten Besiedlungsversuchen des Bahnhofs von Sebastia nach dem Sechstagekrieg dabei war.
»Genau, deine armen Eltern, willst du ihnen noch einen aufladen? Außerdem haben deine Eltern meine Eltern und mich gekannt, es ist nicht so, dass ich ein Neureligiöser mit unbekannter Vergangenheit gewesen wäre.«
»Er ist aber nett. So ein Stiller. Gläubig. Was soll er schon für eine Vergangenheit haben? Furchtbar traurig, diese Geschichte mit seinem Kind. Er sieht wie ein wirklich guter Junge aus.«
»Geschieden«, führte Jean-Marc weiter ins Feld.
»Nichts zu machen. Was war, das war. Schau ihn dir jetzt an, wie er seinen seltsamen Bruder beherbergt, so was von duldsam.«
»Er ist ein guter Kerl, dagegen sag ich ja gar nichts. Aber nichts für deine Schwester. Er ist zu alt. Sie hat noch Zeit, oder?«
»Sie wird demnächst vierundzwanzig.«
»Aha.« Er hielt die Tasse fest und dachte nach.
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