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Auf gluehenden Kohlen

Auf gluehenden Kohlen

Titel: Auf gluehenden Kohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip Margolin
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Abfertigung, entschied sich aber, die Frau nicht zu tadeln. Wahrscheinlich tippte sie seine Arbeit, und es zahlte sich nicht aus, wenn man sich die - anscheinend einzige - Stütze des Büros zur Feindin machte. Peter setzte sich auf die Couch. Nach einer Weile blickte er sich in dem Empfangszimmer um. Bis auf ein paar Risse im Putz der Decke sah er nichts, was er nicht schon beim ersten Hinsehen bemerkt hatte. Peter schaute auf die Uhr. Viertel nach neun. Er beschloss, einen Blick in Sports Illustrated zu werfen. Die Zeitschrift war neun Monate alt, aber Peter blätterte sie trotzdem durch. Um halb zehn hatte er sie flüchtig durchgesehen und überlegte gerade, ob er einen Artikel über einen peruanischen Boxer lesen oder zu Field and Stream greifen sollte, als die Tür zum Büro aufging. Arnos Gearys Gesicht war ein purpurrotes Netz aus geplatzten Blutgefäßen. Was von den ungepflegten Haaren noch übrig war, war schmutziggrau, und ihren Verlust hatte er dadurch kompensiert, dass er sich einen struppigen Walroßschnurrbart hatte wachsen lassen. Seine blutunterlaufenen Augen versanken in dicken Fleischwülsten. Geary war so groß wie Peters Vater und sah zweimal so schwer aus. Sein Bauch hing ihm über den Gürtel, und die Knöpfe seines Hemds sahen aus, als könnten sie jeden Moment wegplatzen. Peter trug einen ma ßgeschneiderten grauen Nadelstreifenanzug und eine geschmackvolle kastanienbraune Krawatte. Geary hatte einen grauenhaften, marineblauen Schlips um, gesprenkelt mit Flecken, die zu denen auf seinem zerknitterten, braunen Anzug passten. Peters Gesichtsmuskeln zuckten, als er sich bemühte, Abscheu zu verbergen.
    Geary musterte den jungen Mann von der offenen T ür her, wobei er im Geist Peters von der Mutter ererbte Züge löschte, während die seines Vaters für ihn scharf hervortraten. »Peter Haie, nehme ich an?«
    »Mr. Geary?« fragte Peter zögernd, während er Gearys Hängebacken und die knollige, mit roten Äderchen durchzogene Nase betrachtete. Geary nahm die abgewetzte Aktentasche in die Linke und streckte Peter die rechte Hand hin. Sie war schweißnass, und Peter zog seine nach einer leichten Berührung zurück, als fürchte er, sich durch die kurze Berührung an Alkoholismus anzustecken.
    »Wie war die Fahrt?« fragte Geary, ohne die Kränkung und Peters Unbehagen zu beachten.
    »Schön«, antwortete Peter und zuckte leicht zusammen, als Gearys alkohol- und mundwassergeschwängerter Atem ihm voll ins Gesicht schlug. »Freut mich.«
    »Vergessen Sie nicht, dass Sie um zehn Gerichtstermin haben«, erinnerte die Sekretärin Geary. »Welcher Fall, Clara?« »Judd.«
    »O Gott. Nicht Judd«, antwortete Geary, drehte Peter den Rücken zu und schlurfte einen dunklen, schmuddeligen Korridor entlang. »Kommen Sie«, rief Geary über die Schulter. Peter folgte seinem neuen Chefin ein schwach erhelltes Büro, in dem es nach kaltem Rauch stank. Geary warf seine Aktenmappe auf ein Durcheinander aus Akten und Papieren, das sich auf einem zerschrammten hölzernen Schreibtisch türmte. Während Geary in einem klapprigen, grauen Metallaktenschrank nach der Akte Judd kramte, sah Peter sich in dem Büro um. Zwischen Urkunden und Zertifikaten, mit denen Gearys Zulassung zu verschiedenen Anwaltskammern des Staates und des Bundes bestätigt wurde, hing an der einen Wand ein Schwarzweißfoto der Foot-ballmannschaft der Oregon State aus dem Jahre 1956. Geary ertappte Peter, als er es sich ansah. »Ich bin in der vorderen Reihe, auf den Knien. Dein Vater steht rechts hinter mir. Ich habe für ihn vier Jahre lang die Schneisen geöffnet, ich habe noch die Narben von den Stollen am Rücken, die es beweisen«, sagte Geary mit einem abrupten Lachen. Peter zwang sich zu einem Lächeln. Er war nicht in der Stimmung, einem alten Säufer zuzuhören, der wegen des Mannes, der ihn ins Büro dieser ungeheuren Null verbannt hatte, sentimental wurde. Dann bemerkte er ein gerahmtes Jura-Abschlussdiplom rechts von Gearys OSU-Zeugnis.
    »Sie haben in Harvard studiert?« fragte Peter und versuchte, nicht skeptisch zu klingen.
    »Jahrgang 59. Überrascht Sie das?«
    »Tja... äh, nein«, sagte Peter und wurde rot, weil Geary ihn so ohne weiteres durchschaut hatte.
    »Sollte es aber. Ein Harvard-Mann, den's hier raus in die Wildnis verschlagen hat. Aber schließlich hat Sie's ja auch zu mir verschlagen, nicht?«
    Diesmal wurde Peter vor Zorn rot. Geary fand die Judd-Akte und lie ß sich hinter dem Schreibtisch auf einen Holzstuhl

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