Auf immer und ewig
auf diese Taten bin.“
Jasons Antwort klang als hätte er gewusst, dass ich ihn das fragen würde. Er schien seine taten ehrlich zu bereuen. Damit stand ich auf, gab ihm einen letzten Kuss auf die Lippen und klopfte dann gegen die Tür, damit die Wärter Jason abholten und ich zurück in mein Büro konnte. Erst später fiel mir auf, dass Jason die fünfte tote Person, Mary-Ann Marley, nicht erwähnt hatte, als er über seine Taten sprach.
8.
Die nächsten zwei Wochen gingen genauso weiter. Ich sah Jason jeden Tag für seine Sitzung, jedes Mal küssten und berührten wir uns. Als ich am Wochende zwei Tage keine Schicht im Gefängnis hatte, schickte Jason mir wieder eine Postkarte. Diesmal war ein Strand darauf zu sehen, ein wunderschöner Karibikstrand mit hohen Palmen, weißem Sand und blauem Wasser. Auf der linken Seite des Strandes stand, leicht erhöht, eine runde Holzhütte, in der mehrere bunte Hängematten hangen. Ich erkannte sofort, was die Postkarte zeigte: Tayrona , einen der beeindruckensten Karibikstrände an der Nordküste Kolumbiens. Jason erinnerte sich wieder einmal dass ich gesagt hatte, dass ich unbedingt dort hin reisen und in einer Hängematte schlafen möchte, eins sein mit der Natur. Ich lächelte und drehte die Karte um.
„Dort möchte ich sein mit dir. Du und ich und die beeindruckende Mutter Natur. Ich meine es ernst. Wir sollten es tun. J.“
Ich fragte mich, was Jason damit meinte. „Wir sollten es tun.“ Nach Tayrona reisen? Wie stellte er sich das vor? Schnell verwarf ich den Gedanken und beschloß, ihn bei unserem nächsten Treffen zu fragen.
Montag, zwei Tage später, hatte ich erst einmal eine Sitzung mit Johnny, dem narzistischen Mexikaner. Johnny schien am heutigen Tag besonders schlecht drauf zu sein, sah mich schon wütend an, als er von den Sicherheitsleuten reingebracht wurde. Ich nahm ihm w ie gewohnt die Handschellen ab, worauf er sich gleich die Handgelenke rieb.
„Wie geht es uns denn heute?“ fragte ich Johnny, der mich noch immer wütend anblickte, als wäre ich Schuld an allem, was in seinem leben schief gelaufen war.
„Ich hasse diesen Knast. Ich hasse die Leute hier. Die wollen mich alle umbringen, nur weil ich schlauer bin als sie. Und besser aussehe. Die wollen mir mein schönes Gesicht mit einem Messer zerkratzen, verdammte Neider.“
Ich war Aussagen wie diese bereits von Johnny gewohnt und reagierte gelassen.
„Hat dich denn jemand angegriffen? Oder dir etwas Böses gesagt?“
Johnny sah mich an, als hätte ich ihn gerade gefragt ob UFOs existieren.
„Nein, keiner von denen traut sich. Die sind Feiglinge. Aber die warten auf den richtigen Moment, um mich anzugreifen. Ich weiß es.“
„Wie kann ich dir helfen dass es dir besser geht?“ gab ich zurück.
Johnnys dunkle Augen blitzten mich an.
„Ich will in einem anderen Trakt untergebracht werden. Da, wo keiner auf mich neidisch ist und mir etwas tun will. Ich verdiene es nicht, mit diesen Schweinen in einem Knast zu sein. Dreckig sind sie, laut und dumm. Und meine Zelle ist auch beschissen klein. Ich will eine größere Zelle. Und das Essen ist noch beschissener, jeden Tag dasselbe. Ich kann es nicht mehr sehen. Ich will in einen besseren Trakt.“
Ich seufzte. Ich war Johnnys permanente Beschwerden gewohnt, aber selten äußerte er solche Wünsche. Normalerweise gab er sich damit zufrieden, sich bei mir zu beschweren und über alles und jeden zu lästern, solange ich ihm zuhörte. Danach ging es ihm meistens besser. Heute schien es schwieriger mit ihm zu sein.
„Johnny, so einfach ist das leider nicht. Ich kann nicht einfach veranlassen, dass du woanders untergebracht wirst. Du wurdest verurteilt und es wurde angeordnet, dass du hier untergebracht wirst. Niemand hier will dir etwas Böses. Und das Essen mag nicht das Essen eines Fünf-Sterne-Restaurants sein, aber es ist nicht schlecht. Ich kann dir andere Optionen anbieten, wie beispielsweise zwei Mal die Woche ein Treffen mit der ganzen Gruppe, wo über den Alltag gesprochen wird und du die anderen Insassen besser kennenlernen kannst. Oder du kannst einen Malkurs belegen, der einmal die Woche angeboten wird. Diese Kurse können dich beschäftigen und wirken sich gut auf dein Gemut aus, glaub mir.“
Ich vermied es grundsätzlich, das Wort „Therapie“ zu benutzen. Die meisten Patienten reagierten sehr gespannt auf dieses Wort, als wären sie gerade als Verrückte abgestempelt worden, die dringend einen Psychodoktor brauchten.
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