Auf Inseln (German Edition)
Solche Träume gibt es nicht, aber halt: Roberts Schlaf ist kein natürlicher, es ist eine Hibernation und kein Mensch wusste bisher, was unter solchen Umständen geträumt wird. Die Hibernation ist auf Dauer schädlich. Deshalb muss man sie frühzeitig abbrechen. Erektionen sind bei Hibernationen nicht möglich. An solche Träume erinnert man sich nicht, auch wenn man sich gerne an Jungfrauen und das Paradies erinnert. Die Hibernation verbreitet bei manchem surrealistischeWollust, die vergessen sein wird, wird der Wachzustand erreicht. Der Wachzustand mit seinen Realität spendenden Randbedingungen. Mancher Traum ist dumpfer, monotoner, brutaler, aber Gott ist meistens dabei. Auf Dauer ist die Hibernation schädlich.
Der Hibernationssarkophag von Robert öffnet sich. Robert fühlt sich tatsächlich noch etwas schläfrig. Die Technik erlaubt selbstständiges Aussteigen aus dem Sarkophag. Externe Überwachung und medizinische Unterstützung sind nicht nötig. Drei schlafen noch, wieder ist Robert einer der Letzten, die durch die Automatik geweckt werden. Hugo Scheffener ist immer der Zweite, nach Florence, einer seiner vier Frauen, die gleichzeitig seine Ärztin ist, aber auch Ärztin für die gesamte Crew. Physiker Paul ist schon auf den Beinen, wenn er nicht ein normales Nickerchen hält. Die Erweckung erstreckt sich gewöhnlich über vierundzwanzig Stunden. Das entspricht keiner inneren Notwendigkeit. Die ersten Schritte sind nicht einfach, obwohl die Muskeln noch nicht degeneriert sind. Die Probleme liegen im Kopf, dieser braucht für die Umstellung, die schon im Hibernationssarg beginnt, vergleichsweise lange. Echos dumpfer Träume geistern noch durch sein Hirn, Beweis dafür, dass es während der langen Zeit aktiv war, was die bekannten Gesetze der Biologie und der Neurologie auf den Kopf stellt. Er ist für dieses Schattenleben besonders sensibel, andere bemerken im nach hinein nicht, dass sie geträumt haben. Vielleicht haben sie nicht geträumt. Hirnaktivitäten wurden bei allen gemessen. Eine weitere Hibernationsphase ist vergangen. Wie viele Lichtjahre mögen sie zurückgelegt haben? Robert hat es vergessen. Es waren an die hundert Lichtjahre gewesen, die sie vorher von der Heimat entfernt waren. Nun wird es deutlich mehr sein. Der „relative" oder wenn man so will „subjektive“ Geschwindigkeitsverlauf verläuft exponentiell, objektiv bewegt sich das Raumschiff nahe der Lichtgeschwindigkeit, seine Beschleunigung ist konstant oder auch nicht konstant, je nach Bezugspunkt. Für die Crew beschleunigt das Raumschiff gleichmäßig, obgleich der Raum um sie herum exponentiell schrumpft. Sie haben festen Boden unter den Füßen, es sind 1g, die sie gegen den Boden drücken, eine Konstante, die auch ihre Reisezeit bestimmt. Robert versucht sich an sich zu erinnern, an die anderen der Crew, er erinnert den Grund, warum er hier ist. Aber wo ist hier, wenn es sich in Sekunden um Millionen Kilometer bewegt. Hier wird Zenons Paradoxon vom fliegenden Pfeil auf die Spitze getrieben. Von der Form gleicht das Raumschiff eher einem wohlproportionierten Zylinder, aber auch das ist relativ. Im Inertialsystem des Raumschiffs ist die Höhe des Zylinders sechsmal größer als sein Durchmesser, in einigen Systemen ist das Schiff eine Scheibe, wiederum in anderen eher pfeilförmig. Zenon hätte an diesem Raumschiff seine Freude gehabt. Es ist verhältnismäßig sicher, das es irgendwo ankommt. Seine Bahn verläuft in der Regel gradlinig, sieht man von den noch wenigen Kurskorrekturen ab und einer kaum bemerkbaren Schwerkraft, die dem Vehikel eine Hyperbelbahn aufdrücken will. Robert betritt seine kleine Kabine, die funktionell eingerichtet ist. An einer Wand hängt ein größeres Foto einer schönen Frau. Sie zeigt ihr Haar, ein bisschen Ausschnitt, ein bisschen Bein, ein kürzerer Rock, der aber noch die Knie bedeckt. Hier an Bord ist das erlaubt. Er legt sich auf sein Bett mit Blick auf die Frau, fingert nach seinem Geschlechtsteil. Als ob er nicht lange genug gelegen hätte. Er versucht sich an die letzten Vorfälle hier in diesem Raumschiff zu erinnern, aber es gelingt ihm noch nicht. Dies sind Folgen der Hibernation, möglicherweise, weil der Winterschlaf so lang ist. Dies ist auch der Grund, warum er sich zuerst in seine Kabine zurückzieht. Unter den anderen Mitgliedern der Crew würde er sich noch unsicher fühlen, insbesondere in der Gegenwart von Frauen. Hatte er etwas mit einer vor seinem Winterschlaf? Er
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