Auf Inseln (German Edition)
Gott. Gott war jeder Blutstropfen, den meine Wände absonderten, aber wenn der Glanz mich überfiel und bei Schmerz erkannte ich das wahre Antlitz Gottes. Gott liebte mich und war gekommen, um mich zu zerstören. Licht flutete durch meine Höhle; er würde mich erlösen. Manchmal wünschte ich mir, dass er eine Sie wäre, mit einem Platz für mich. Sie hatte Brüste, die die Welt bedrohten. Ein Blick zwischen ihren Schenkeln verriet mir, wo die wirklichen Pforten der Hölle lauerten. Ich war schuldig, wenn ich so dachte. Ich konnte sie riechen, diese Schuld, auf die sich die Stimmen bezogen.
Manchmal meinte ich, das Telefon würde klingeln, ich war mir nicht sicher und ein vernünftiger Gedanke sagte mir, dass es keinen Sinn mache, ran zu gehen. Brauchte ich Hilfe? Vermutlich waren die Schrecken in einem Hospital noch größer. Ich hatte kein Vertrauen. Die beste Behandlungsmethode wäre wohl gewesen, mich in ein künstliches Koma zu bringen, solange, bis der Körper das Gift der Wespe ausgeschieden hätte, aber auch da war ich mir nicht sicher. Hin und wieder gelang mir ein Gedanke, aber dies fiel sehr schwer. Hin und wieder schleppte ich mich zur Toilette, ein Seekranker auf unsicherem Grund, der von allen Seiten ausgelacht wurde. Ein göttlicher Chor des Gelächters und manchmal lachte Gott auch selbst. Man verhandelte darüber, ob ich von diese Art Fegefeuer endgültig in die Hölle verstoßen werden sollte. Ich war nicht in der Lage, mich zu verteidigen. Ich wartete auf die Entscheidung. „Es ist nur der Stich“, versuchte ich mir zu sagen. Die Wirkung des Stichs war endlich, aber Zeit schien in extremer Weise endlich zu sein! Endliche Zeit konnte sich scheinbar unendlich ausdehnen. Ängstlich betrachtete ich die Konsequenzen, sie flossen mir über die Stirn und ich fror. Jenseits der Zeit würde es mir besser gehen. Jenseits der Zeit, jenseits der Hölle. Mein Gehirn war zermartert, obwohl ich wenig dachte. Ich wusste meinen Namen nicht mehr, den man mir manchmal durch die Wände sagte, aber ich vergaß ihn wieder schnell. Manchmal verlor ich neben meinem Schweiß Tränen. Irgendwann schwitzten die Wände nicht mehr, während Schüttelfrost mich überfiel. Es wurde um mich ruhiger. Man hatte sich wohl zurückgezogen, um das Urteil zu fällen. Der Boden beruhigte sich und gaukelte mir eine bekannte Wirklichkeit vor, die dennoch befremdend war. Ich fürchtete, ich könnte verhungern und verspürte den ersten Hunger. Ich wartete auf das Urteil, aber das kam nicht. Meine Versuche zwei und zwei zusammenzuzählen, scheiterten noch. Das Brot, das ich zu mir nahm, schmeckte widerlich. Ich begriff, dass ich krank war, und versuchte meine Körpertemperatur zu messen. Das Ergebnis war eindeutig Fieber. Angenehmere Gedanken schlichen sich ein, wie der, Katharina würde mich besuchen. Sie würde sich meiner annehmen. Ein dumpfer Schmerz machte sich bemerkbar, den ich fast vergessen hatte. Irgendwann normalisierte sich die Zeit, und wenn ich schlief, träumte ich nichts. Aufwachend befand ich mich nicht mehr in der Hölle, sondern in einem Krankenbett. Mein Schweiß war inzwischen klar. Ich schaltete den Fernseher ein; die Propagandamaschinerie kam mir bekannt und freundlich vor. Mir gelang die zeitliche Einordnung. Es war fast eine Woche vergangen, seitdem ich gestochen worden war. Es hätte auch nur ein Tag sein können. Ich würde bald gesund sein. Mein körperlicher Zustand verbesserte sich zunehmend, allerdings fühlte ich mich doch recht schlapp. Wenige Stunden später war ich schmerzlos und fieberfrei. Meine Wohnung sah etwas chaotisch aus, und ich begann aufzuräumen. Draußen regnete es, aber es waren vergleichsweise viele Autos auf der Straße. Die Uhr zeigte, dass es nach achtzehn Uhr war. Ich bekam Lust zu essen, Lust auf Alkohol, verlangte nach einer Zigarette. Sie wirkte außergewöhnlich stark, aber das war ja immer so, wenn man längere Zeit nicht geraucht hatte. Es schien mir so, dass mein Verstand zurückgekehrt war. Es war absolut notwendig, ein Bad zu nehmen, was ich dann auch tat. Entspannt spielte ich an mir und stellte mir Schönes vor. Das Brot schmeckte inzwischen richtig gut, an die Zigaretten gewöhnte ich mich wieder. Ein erstes kaltes Bier, das im Kühlschrank auf mich wartete. Ich würde heute mein normales Leben wieder aufnehmen, meine Freunde sehen. Die Gesellschaft von New Avignon
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