Auf Inseln (German Edition)
dem komfortablen Raum, der mit Strandbildern geschmückt war. Ich versuchte, Ts zu zählen. Eine junge Ärztin und eine Assistentin, beide mit dem Buchstaben, nahmen sich meiner an. Ich war fasziniert vom schwarzen Haar. Die junge Ärztin schien schnell eine Diagnose zu finden, die sie mir in gebrochenem Englisch erklärte. Sie setzte gezielt eine Spritze, die die Entzündung aufheben sollte und schon instantan den Schmerz nahm. Ärzte, die so perfekt Schmerzen bekämpfen konnten, waren in diesen Gefängnissen sehr gefragt, denn sie konnten auch gezielt Schmerzen provozieren, die ich mir nicht vorstellen wollte. Sie lächelte mich öfters an, ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass sie an anderer Stelle noch ein T trug. Die Rechnung war erheblich. Ich schätzte, dass sie etwa so hoch war wie eine Nacht mit Begleitung. Paul blätterte in einer Zeitschrift, in der spärlich bekleidete Frauen abgebildet waren; es war ihm offensichtlich peinlich, als ich wieder ins Wartezimmer trat und seinen Zustand musterte. Hier gab es genügend Mittelchen um unsere Schüchternheit abzulegen. Trotz größerer finanzieller Verluste war ich gut gelaunt. Mir ging es blendend und ich war überhaupt nicht mehr müde. Was lag näher, sich ein schönes Plätzchen zu suchen und den Tag nach einem zweiten Frühstück mit ein paar starken Drinks stilgerecht beginnen zu lassen? Wenig später saßen wir in einer Straßenbar, tranken unsere Fruchtcocktails und ließen uns anlächeln. Touristen mit Mädchen im Schlepptau, ganz selten Frauen mit Kopftüchern, die sich so als Fremde outeten und von denen ich mir nicht genau vorstellen konnte, was sie hier machten und wollten. Auch ich war schüchtern und bedurfte einiges an Alkohol, um diese letztendlich abzulegen und die Schönheiten, die uns anlächelten, anzusprechen. Wir waren in der sozialistischen Hölle, die ein kleines Paradies für diejenigen von uns aufgebaut hatten, die spendabel genug waren, ein kleines Vermögen, jedenfalls für Normalverdiener, auszugeben. Manchmal rutschte mir das Herz in die Hose, wenn ich vermeinte, Paola zu erkennen. Ich will mich nicht über die Frauen von New Avignon auslassen. Sie wurden mit Sicherheit unterdrückt, aber außer der Priesterkaste und wenigen privilegierten Reichen waren die Männer ebenfalls Opfer einer Unterdrückung, natürlich auch in Bezug auf ihr Geschlechtsleben, sodass ich in New Avignon vergeblich auf eine große Liebe gewartet hatte und den Rausch, den diese Insel ihren Gästen anbot, ohne jegliche moralischen Bedenken ann ahm, obgleich es Sünde war. Soweit ich wusste, waren die Beichtstühle der kleinen Touristenkirchen mit Dienerinnen besetzt, die intime, detaillierte Fragen, den Sündenfall betreffend, stellten. Ich stellte mir vor, dass eine untersuchende Dienerinnenhand das ganze Ausmaß an moralischer Verkommenheit untersuchte und mir tadelnde Worte zusprach. Als Buße musste ich mit besonderen Gebeten um Erlösung bitten. Paul war ausgesprochen wortkarg und gaffte in eine Welt hinein, für die eine physikalische Erklärung nicht ausreichte. Für ihn war Sex grundsätzlich gottgewollt, sodass er mit diesem Urlaub grundsätzlich keine Probleme haben sollte. Die offizielle klerikale Ideologie war nicht die seine. Er verblüffte mich mit der Frage, ob Touristen hier legal Marihuana kaufen dürften. Ich gab eine ausweichende Antwort und fürchtete Verwicklungen.
Der Zug nach Frisco verließ pünktlich den Bahnhof von Angelino. Wir hatten einen der Wagen bestiegen, die für Touristen bestimmt waren. Die Abteile waren freundlich und komfortabel eingerichtet, vermutlich ganz im Gegensatz zu den Abteilen der Einheimischen, von denen ich mir vorstellte, dass sie irgendwie spartanisch sein mussten. Wie in unseren Hotelzimmer befand sich an einer bestimmten Stelle eine kleine schwarze Bibel, in der ich herumblätterte, um festzustellen, ob sie werkgetreu war. Vielleicht wollten sich die Sozialisten hier einen Scherz mit uns erlauben. Ich konnte nicht feststellen, wo diese Bibeln gedruckt worden waren. Die Bibel hatte meines Erachtens ein paar interessante Stellen; die Offenbarung von St. John war bei Weitem die Interessanteste, die ich immer gerne las. Hatte die Erde ein solches Schicksal erfahren oder waren wir es, die dieses Buch wahr machten? Über unsere beiden Inseln konnte jederzeit der Wahn hereinbrechen, mit Visionen, die die Offenbarung bei Weitem übertrafen. Die Aborigines waren ganz nah und das gleißende
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