Auf Inseln (German Edition)
Unterhaltungsangebot bot. Unser Hotel war von der Reiseagentur gebucht und war unweit vom Hafen. Paul schien große, weite Augen zu machen, denn in den quirligen Gassen wurden wir von schönen, jungen, stark gebräunten Frauen angelächelt, die ihr dunkles Haar offen trugen. Vermutlich war er wirklich geschockt. Neben den Frauen waren mir als Erstes die Palmen aufgefallen, ein Mitbringsel von der Erde, von denen nur ganz wenige, kleine in Athens wachsen. Hier in Angelino gediehen sie schon prächtig. Überall in den Straßen gab es Bars, in denen Touristen mit Frauen schäkerten. Mein früherer Eindruck bestätigte sich, dass hier noch weit mehr Überwachungskameras installiert waren als in den Städten New Avignons. Paul hatte da glaube ich keinen Blick für. Ich schätzte, dass die Dichte der Kameras etwa doppelt so hoch sein musste wie in Athens. Wir kamen an einer kleinen Kirche vorbei, die selbstverständlich nur für Touristen zugelassen war. Die Liturgie der Messen war den hiesigen Verhältnissen angepasst. Die Klerikalen New Avignons hatten auf diese Kirchen bestanden, wohl wissend, dass ihre Schäfchen in einem Land der Sünde weilten. Ich hatte die Doppelmoral der Bischöfe nie verstanden, meine eigene aufrecht zu halten war schon schwierig genug. Ein frommer Neokatholik machte niemals Urlaub in New Havanna. Der New Havanna Tourist war registriert und musste sich peinliche Fragen unterziehen, warum er dieses gottverlorene Land aufsuchen wollte. Ein registrierter Tourist war ein kleiner Dissident, der bei der Stange gehalten wurde, in dem er eine windige Hölle aufsuchen durfte, die mit paradiesischen Früchten lockte. Es war schon etwas unverständlich, dass eine quasi staatliche Stelle als Lohn für eine Arbeit eine organisierte Reise ins Reich des Bösen anbot. Die andere Seite brauchte Devisen, um dem wirtschaftlichen Kollaps zu entgehen. Die Bevölkerung New Havannas mochte den Eindruck bekommen, dass die Menschen von New Avignon wohlhabend waren, die staatliche Propaganda betonte allerdings, dass dies nur auf wenige Privilegierte der Nachbarinsel zutraf. Technologisch gesehen schienen diese Insulaner in einigen Gebieten fortgeschrittener zu sein, die Überwachungskameras waren auffällig kleiner. Auch im Bereich der Biomedizin hatten die Sozialisten die Nase vorn; die Prostituierten, die hier arbeiteten, waren teilweise geklont und die Lebenserwartung hier war erheblich höher als die unserer Gesellschaft, was aber nicht so ein Problem darstellen sollte, weil uns das ewige Leben nach dem Tod versprochen wurde. Neben dem Sextourismus hatte sich ein kleiner, erschwinglicher Medizintourismus entwickelt, bezahlbar für die Reichen unserer Gesellschaft. Es gab ausgesprochene Kurorte auf New Havanna, exklusiv für uns und warum sollte man das Gesunde nicht mit dem Angenehmen verbinden. Ich würde einen Zahnarzt für Touristen aufsuchen. Es herrschte eine Art von Apartheid hier in New Havanna. Der gewöhnlichen Bevölkerung war es verboten, Kontakt mit uns Touristen aufzunehmen. Es gab lizenzierte Geschäfte, Bars, Spielhöllen, Bordelle und eben halt auch Arztpraxen, die mit einem T gekennzeichnet waren. Die Menschen, die wir ansprechen durften, hatten irgendwo an der Kleidung ein deutlich erkennbares T, die Strandschönheiten auf ihren Tangas, die Prostituierten zudem ein Tattoo auf einer Pobacke oder unterhalb des Bauchnabels. Es gab natürlich auch Prostituierte ohne ein T, die illegal anschafften. Sie waren billiger und gefährlich, denn ein Kontakt mit ihnen konnte Knast bedeuten und die Gefängnisse auf New Havanna waren berüchtigt, da die Foltermethoden moderner waren als die von New Avignon, die sich auf traditionelle, quasi mittelalterliche Methoden großen Teils beschränkte. Paola hatte dieses T an einer hübschen Stelle. Nachdem wir unser Gepäck im Hotel abgestellt hatten, erkundigte ich mich in Englisch nach einem Zahnarzt, der eine Lizenz für Touristen hatte. Zurück in die Gassen, zurück zu den Frauen, die wir aufmerksam musterten. Mir schien, ich konnte auf Paola treffen, mochte die Chance auch so klein sein und mit jedem Frauengesicht, dass ich zu erkennen versuchte, überzeugte mich bei manchen Exemplaren erst ein zweiter Blick, dass es sich nicht um Paola handelte. Die ärztliche Station, die wir erreichten, hatte getrennte Wartezimmer. Das für Touristen war leer. Ich war mir sicher, dass mein Geld ein gutes Argument war, mich bevorzugt zu behandeln. Wir warteten keine zehn Minuten in
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