Auf keinen Fall Liebe
ihm schwerfiel, nicht die Beherrschung zu verlieren.
Der Richter warf einen vielsagenden Blick zu Alice, die mit zusammengekniffenen Lippen auf ihrem Stuhl saß, und bereits ahnte, dass sich ihre Chancen durch diese Aussage ziemlich verschlechtert hatten.
»Und wann hast du deinen Dad das erste Mal gesehen?«, fragte die Frau behutsam weiter.
»Als Mom mich zu Tante Maddison gebracht hat.«
»Hat deine Mom dir denn erklärt, dass du dort deinen Dad treffen wirst?«
Emily schüttelte den Kopf. »Nein. Sie hat mir gesagt, dass sie sich nicht mehr um mich kümmern will, weil ich ihr zu viel Ärger mache. Deswegen sollte ich bei meiner Tante bleiben.«
Der Richter schaltete das Video ab und räusperte sich.
»Ich denke, wir haben genug gehört.«
Immer noch erschüttert von Emilys Erzählung nahm Faith die anschließende Urteilsverkündung kaum wahr. Die Worte des Richters rauschten an ihr vorbei, sie sah nur, dass Lucian seinen Anwalt überglücklich umarmte, und dass Alice mit einem giftigen Blick aus dem Saal schoss.
Wenig später standen sie draußen auf dem Gang.
»Gott sei Dank ist das ausgestanden«, seufzte Maddison erleichtert, und fügte dann verächtlich hinzu: »Ich habe ja nie viel von Alice gehalten, aber dass sie ihrem eigenen Kind so etwas antun kann, hätte ich nicht gedacht.«
Lucian verzog das Gesicht. »Ich begreife selbst nicht, was ich jemals in dieser Frau gesehen habe, ich muss völlig blind gewesen sein.«
»Tja, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht«, erwiderte seine Schwester trocken und warf ihm einen bedeutsamen Blick zu.
»Lassen wir das jetzt«, murmelte er, und wandte sich zu Faith. »Wir holen Emily ab und fahren dann los, ich will nur noch nach Hause und diese ganze Sache hier vergessen.«
Sie nickte zustimmend und verließen kurz darauf das Gerichtsgebäude. Draußen verabschiedeten sie sich von Maddison, und Lucian lief zur Tiefgarage, um seinen Wagen zu holen.
Während Faith vor dem Eingang stehen blieb und auf ihn wartete, fiel ihr Blick zufällig auf Alice, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand und ebenfalls auf jemanden zu warten schien.
Da hielt ein schwarzer Sportwagen, der Faith bekannt vorkam, und Alice stieg ein. Das Auto fuhr wieder los, und als Faith genauer hinschaute, erkannte sie zu ihrem Entsetzen, dass der Mann am Steuer niemand anderes als Gabriel war.
Eine knappe Stunde später waren sie auf der Autobahn unterwegs in Richtung Cornwall.
Faith saß immer noch der Schreck in den Knochen und so war sie froh, dass Lucian offenbar auch zu sehr in Gedanken war, um sich zu unterhalten. Emily plapperte wie stets fröhlich vor sich hin, und während Faith ihr hin und wieder eine abwesende Antwort gab, grübelte sie, was Gabriel mit Alice zu tun haben könnte.
Ihr fielen die Drohungen ein, die er bei ihrem letzten Zusammentreffen ausgestoßen hatte und sie fragte sich, ob Gabriel hinter Alices plötzlichem Auftauchen steckte. Das Videoband hatte mehr als deutlich gezeigt, dass Alice alles andere als eine liebende Mutter war, und dass Emily ihr lediglich ein Klotz am Bein war. Warum sollte sie also sonst so versessen darauf sein, Emily zurückzuholen? War das Ganze ein Versuch von Gabriel gewesen, sie und Lucian auseinanderzubringen, in der Hoffnung, dass sie dann zu ihm zurückkehren würde? Oder wollte er sich an ihr rächen, indem er Lucian eins auswischte?
»Du bist so blass, ist alles okay?«, riss Lucian sie aus ihren Gedanken.
»Ja, sicher«, nickte sie schnell, »Ich bin nur ein bisschen müde. Es war sehr anstrengend, und ich muss die ganze Sache erstmal verdauen.«
»Ja, ich bin auch ziemlich fertig.« Er drehte sich kurz um, und sah, dass Emily auf der Rückbank eingeschlafen war. »Ich hoffe nur, dass Emily nie erfahren wird, was Alice getan hat. Ich werde alles tun, um das wieder gutzumachen, was sie angerichtet hat.«
Faith streckte den Arm aus und fuhr ihm sanft mit den Fingern an der Schläfe entlang durchs Haar. »Du bist der beste Vater, den Emily sich wünschen kann.«
Er griff nach ihrer Hand, zog sie an seinen Mund und küsste ihre Fingerspitzen. Dann schaute er sie kurz an und lächelte.
»Was hältst du davon, wenn wir für ein paar Tage wegfahren, sobald sich die ganze Aufregung ein bisschen gelegt hat?«
»Wegfahren?«, wiederholte sie überrascht.
»Ja, wir könnten irgendwo Urlaub machen, nur du und ich – schließlich hatten wir noch keine Hochzeitsreise.«
48
E in paar Wochen vergingen und
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