Auf keinen Fall Liebe
allmählich verblassten die Ereignisse rund um die Sorgerechtsverhandlung. Faith dachte nicht mehr an die Beobachtung vor dem Gerichtsgebäude, und Lucian schien seinen Plan von der gemeinsamen Reise ebenfalls vergessen zu haben, zumindest sprach er nicht weiter davon.
Wie gewohnt nahm der Alltag seinen Lauf, und obwohl Faith das Leben mit Lucian und Emily sehr genoss, hatte sie doch stets die Frage im Hinterkopf, wie lange es so weitergehen würde. Jetzt, wo Lucian das Sorgerecht für Emily hatte, gab es für ihn keinen Grund, noch länger mit ihr verheiratet zu bleiben. Sie bemerkte, dass er sie manchmal so seltsam anschaute, mit einem merkwürdigen Blick, der sie jedes Mal befürchten ließ, dass er zu ihr kommen und sie um die Scheidung bitten würde.
Irgendwann nagte diese Angst so stark in ihr, dass sie beschloss, ihn selbst darauf anzusprechen.
»Lucian«, sagte sie eines Nachts zaghaft, als sie sich erschöpft in den Armen hielten, »nachdem die Sache mit Emily jetzt erledigt ist, brauchen wir doch eigentlich nicht länger verheiratet bleiben. Falls du also die Scheidung möchtest, hätte ich nichts dagegen.«
Er lag hinter ihr, sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte, aber sie spürte, wie sich sein Körper anspannte, genau wie in ihrer Hochzeitsnacht, als sie so unbedacht mit ihren Gefühlen herausgeplatzt war.
»Heißt das, dass du gehen willst?«, fragte er nach einer Weile ruhig.
»Nein«, betonte sie hastig, »ich dachte nur, du möchtest vielleicht … wieder frei sein.«
»Es wäre besser, wir würden damit noch eine Zeit lang warten. Der Anwalt sagte mir, dass in Abständen Kontrollen durchgeführt werden, und mir das Sorgerecht jederzeit aberkannt werden könnte, wenn es irgendetwas zu beanstanden gibt. Bestimmt würde es etwas auffällig wirken, wenn wir uns so kurz nach der Verhandlung scheiden lassen.«
Lucians Stimme klang vollkommen sachlich, und die Tatsache, dass er so gar keine Regung zeigte, schnitt ihr ins Herz.
»Okay«, murmelte sie betroffen, »natürlich.«
»Selbstverständlich nur, wenn es dir nichts ausmacht«, fügte er zögernd hinzu.
»Nein, es macht mir nichts aus«, sagte sie leise. »Ich bleibe, solange du mich brauchst.«
Ein paar Tage später erschien eine neue Patientin in der Praxis, was eher selten vorkam, denn im Prinzip waren alle Bewohner im Umkreis von St. Albury bei Lucian in Behandlung, und Faith kannte jeden.
»Valerie Harper«, nannte die attraktive Brünette ihren Namen, »Ich habe Schmerzen in der Brust und wollte fragen, ob ich kurzfristig einen Termin bekommen kann.«
»Natürlich«, nickte Faith, »Sie müssten allerdings eine Weile warten, es sind noch zwei Patienten vor ihnen dran.«
»Das ist kein Problem«, nickte die Brünette, »ich habe Zeit.«
Faith öffnete die Eingabemaske für die Anlage neuer Patienten und trug die Angaben der Frau ein.
»Sie sind nicht zufällig mit Amanda Harper verwandt, oder?«, fragte sie währenddessen im Plauderton, als sie die Adresse eintippte.
»Doch, das ist meine Mutter, aber ich selbst wohne erst seit einem Jahr hier in St. Albury«, erklärte Valerie Harper, und sie unterhielten sich einen Moment.
»Gut, das war es soweit, nehmen Sie bitte noch einen Moment draußen Platz, mein Mann wird sie dann aufrufen«, bat Faith freundlich.
Die Frau bedankte sich und setzte sich auf eine der Bänke im Flur.
Irgendwann rief Lucian sie ins Sprechzimmer. Nach einer Weile kam er zusammen mit ihr heraus, und bat Faith, ein EKG zu machen.
»Meine Frau kümmert sich darum, anschließend sprechen wir nochmal kurz miteinander«, nickte er Valerie Harper zu, und verschwand mit dem nächsten Patienten ins Sprechzimmer.
Faith führte Valerie ins Behandlungszimmer und bat sie, den Oberkörper sowie die Fußgelenke freizumachen.
»Ihr Mann ist sehr nett«, stellte Valerie Harper fest, während Faith ihr die Elektroden anlegte. »Und er sieht ungemein gut aus, Sie sind wirklich zu beneiden.«
»Danke«, murmelte Faith unbehaglich.
»Sind Sie schon lange verheiratet?«
»Zwei Monate«, sagte Faith kurz angebunden.
»Oh, dann sind Sie ja noch ganz frisch verliebt«, Valerie Harper senkte vertraulich die Stimme und blinzelte Faith zu. »Da kommen Sie bestimmt kaum zum Schlafen, ihr Mann macht einen sehr leidenschaftlichen Eindruck.«
Faith hätte sie am liebsten rausgeworfen, sie zwang sich jedoch, höflich zu bleiben.
»In Ordnung, Mrs. Harper …«, begann sie sachlich, aber die Brünette unterbrach sie
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