auf Safari
‚rasten‘ war das einzige, was Mrs. Pollifax wichtig war.
Und sie folgte Simon eifrig. Mainza verschwand bald hinter dem Hügel und als die Gruppe ebenfalls dort ankam, hieß Simon sie dahinter stehenzubleiben. „Hinsetzen“, befahl er, „aber nicht darauf, es ist ein Ameisenbau.“
Dankbar sank Mrs. Pollifax zu Boden. Sie konzentrierte sich auf die Rast. Ihre Schultern schmerzten, die Füße taten ihr weh, und ihre Augen fühlte sich an wie gequetschte Tomaten. Sie konnte kaum denken. Sie fühlte sich außerstande, sich zusammenzureißen. So ungefähr mußte es sein, wenn ein Mensch im Schnee einschläft, er bemerkt es und es macht ihm nichts aus. Bestimmt gab es keine ausreichende Rast mehr, bevor sie den Friedhof erreichten. Sollten sie dort ankommen, so konnte aus der ersehnten Ruhe leicht eine Ewige Ruhe werden. Aber auch dieser Gedanke half nicht. Ob sie vielleicht einen Sonnenstich hatte? Sie sah Simon und Reuben plötzlich ihre Gewehre heben, brachte aber nur ein mäßiges Interesse auf, als ein Mann, ohne die Gruppe zu bemerken, an ihnen vorbei trottete. Sie war dankbar, daß es kein Löwe war, aber in ihrer außergewöhnlichen Verfassung fand sie nichts dabei, hier einem Mann zu begegnen. Außerdem schien er hierher zu gehören und sein Anblick war wenig anziehend. Es war ein Einheimischer in zerrissenen, am Knie abgeschnittenen schwarzen Hosen, zerlumpten Turnschuhen und einer leuchtend grün und schwarz karierten Wollkappe, die ihm ein lächerliches Aussehen verlieh. Auf dem Rücken trug er einen in blutiges Zeitungspapier
eingeschlagenen Gegenstand, der offensichtlich schwer war und den eine Menge Fliegen umkreisten. Der Mann bemerkte sie erst, als Simon mit dem Gewehr vortrat. Er schien aber eher erstaunt als erschrocken. Er sah Simon mit einem unsicheren, aber strahlenden Lächeln an und starrte dann hingerissen auf die Waffe, die er offenbar erstaunlicher fand als den Anblick von fünf Menschen, die hinter einem Ameisenhügel hockten.
Mainza kam herbei, durchsuchte die Taschen des Mannes und roch an dem Bündel.
„Jonesi“, sagte der junge Mann strahlend und deutete auf sich selbst. „Jonesi. Guten Abend.“
‚Guten Abend‘ erwiesen sich indessen als die einzigen Worte, die er außer seinem Eingeborenendialekt konnte. Man versuchte es mit Nyanja bei ihm, mit Luvale und Bemba, aber alles führte nur zu begeistertem Nicken und den Worten: „Jonesi. Guten Abend.“
„Hat wohl nicht alle Tassen im Schrank“, vermutete Cyrus trocken.
Mainza schlug eine Ecke des blutigen Bündels zurück und sagte anklagend: „Gewildert hat er, Simon. Er ist ein Wilderer und heißt Jonesi. Aber was machen wir mit ihm?“
„Mir gefällt er nicht“, sagte Amy kalt.
Simon blickte flüchtig zu ihr hinüber und sagte zu Reuben: „Er könnte uns helfen den Friedhof zu finden.“
„Ah“, sagte Mrs. Pollifax und wurde hellwach. „Sie wissen nicht, wo der Friedhof liegt?“
„Natürlich wissen wir das“, fuhr Simon sie an. „Nur diesen Weg sind wir bisher noch nie gegangen.“
„Dann haben Sie sich also verlaufen?“ fragte Amy hönisch.
„Wie aufmerksam, daß Sie uns das wissen lassen, Simon.“
„Kann mir nicht vorstellen, wie dieser Jonesi uns helfen soll, wenn Sie sich nicht einmal mit ihm verständigen können“, meinte Cyrus.
Mainza war es gelungen, die Aufmerksamkeit des Wilderes auf sich zu lenken; er setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden, begann mit einem Stock die Erde umzuwühlen und warf ein halbes Dutzend kleiner Erdhaufen auf. Er steckte einen Zweig in den einen, legte einen Knopf auf den anderen und ein Stoffetzchen auf einen dritten. Der Wilderer hockte neben ihm und sah zu. Plötzlich nickte er und sprudelte Worte hervor und deutete in südliche Richtung. Dann nahm er den Stock und zeichnete den Umriß eines Tieres. Nach weiterer Zeichensprache sagte Mainza: „Er kennt den Friedhof. Er will uns hinbringen, wenn wir nichts von seiner Wilderei berichten. Er hat Antilopenfleisch in seinem Bündel.“
Bei diesen Worten kam Mrs. Pollifax ein Gedanke, den sie verfolgte, Schritt für Schritt vorgehend: Fleisch, Wildern… Aber natürlich, dachte sie, und ihr schwindelte: die Antilope war zerlegt worden, und wenn sie zerlegt worden war, dann mußte das Fleisch von den Knochen gelöst worden sein mit einem Messer .
Ihre Müdigkeit fiel von ihr ab wie ein alter Mantel, der schon zum Verschenken bestimmt war.
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