Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß
wegen eines Kugelstoßrekords in zwei Lager gespalten war, und ist somit eine bedenkliche Entwicklung.
Andi legte das Blatt auf den Stapel und sah Mücke an. Die Sache mit dem Kugelstoßrekord war eine alte Fehde zwischen Dampfwalze und Stephan. Das wusste er aus der Chronik. Und eine solche Fehde sollte jetzt seinetwegen wieder aufflammen?
„Ist das wirklich so“, fragte er. „Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.“ Mücke zuckte mit den Schultern. „Als Redakteur bin ich unparteiisch und muss schreiben, was ich sehe. Du kannst das nicht beurteilen, du warst damals noch nicht hier.“
Andi konnte sich immer noch nicht beruhigen. Was er da gelesen hatte, war einfach toll, und Mücke stand da, klein, die Brille auf der Nase, gerade so, als wäre dieser gepfefferte Artikel das Normalste von der Welt.
„Na, die werden Augen machen, wenn das erscheint!“ sagte Andi.
„Sollen sie auch“, antwortete Mücke ungerührt.
„Und ich“, fuhr Andi fort, „ich werde zusehen, dass ich mich da in Zukunft raushalte. Eigentlich härtest du mir das gleich sagen können.“
Mücke schüttelte den Kopf. „Es geht alle an, und alle müssen es erfahren. Nur dann hilft es. Das ist die Macht der Feder!“
Neuer Schwung
Die Redaktion vom „Wappenschild“ war übereingekommen, die neue Nummer nach dem Mittagessen auszugeben. Dann würden alle sie während der Liegepause lesen. Und eben davon versprach sich Mücke die größte Wirkung.
Doch schon beim Frühstück ereignete sich etwas Unvorhergesehenes. Statt wie sonst hinter seinem Kakao zu sitzen, lief Ottokar ständig zwischen dem Rex und Doktor Waldmann hin und her. Schließlich ging er noch zu Pummel und tuschelte mit ihm. Alles wartete auf die Glocke, die den Beginn des Unterrichts ankündigte. Doch sie blieb aus. Ottokar trat ans Schwarze Brett und läutete mit der Kuhglocke.
„Ich habe eine Überraschung für euch“, begann er. „Im letzten ,Wappenschild’ hieß es mit Recht, wir hätten keinen Schwung mehr. Das haben sich zwei Ritter so zu Herzen genommen, dass wir heute einen großen Tag in der Geschichte unserer Burg feiern können. Eugen und Pummel haben zusammen mit Doktor Waldmann in nächtelanger Arbeit ihr Segelflugzeug fertiggestellt. Um neun Uhr ist Taufe mit anschließendem Start. Der Vormittagsunterricht fällt aus.“
Ein unbeschreiblicher Jubel brach los. Eugen, Pummel und der gewichtige Doktor wurden auf ihren Stühlen hochgehoben und im Triumphzug aus dem Esssaal getragen.
Dann zogen sich alle für das feierliche Ereignis um. Mauersäge, so hieß es, werde als Hausherr die Taufe persönlich vornehmen. Und da Mauersäge die Angewohnheit hatte, beim Sprechen in unregelmäßigen Abständen einen merkwürdigen Laut, ein ks, einzuschieben, waren seine Ansprachen außerordentlich beliebt. „Schalten“ nannten die Ritter diese gräfliche Eigenart und zählten mit, wie oft er schaltete. Die Stimmung erreichte somit ihren ersten Höhepunkt,, noch bevor es überhaupt losging.
Pünktlich um neun Uhr versammelten sich Ritter, Lehrer und alle, die auf der Burg beschäftigt waren, auf dem Sportplatz. Dort stand, von Eugen und Pummel an den Tragflächen gehalten, das Meisterwerk. Es war ein sogenannter Schulgleiter, eine Übungsmaschine mit hoch angesetzten Tragflächen, vor denen der Pilot ohne Verkleidung völlig im Freien sitzt. Die Flügel waren an einer Art hölzernem Dreieck befestigt. Der vordere Holm dieses Dreiecks diente dem Piloten als Rückenlehne, am hinteren Holm war der Rumpf angebracht und am unteren, der waagerecht verlief, war die Gleitkufe befestigt. Die Spitze des Dreiecks, die zwischen den beiden Tragflächen herausragte, hatte Doktor Waldmann mit einem Tuch verdeckt, das er des Windes wegen festhalten musste.
Andi stand mit der Trompete am Eisentor des Prinzengartens bereit, um Mauersäge mit einem Signal anzukündigen. Er hatte in aller Eile noch geübt, doch als Mauersäge in den Park trat, vergaß er in der Aufregung alles, blies ein paar hohe Töne, legte die Trompete ins Gras und rannte voraus, um ja nichts zu versäumen.
Die Ritter bildeten einen Halbkreis; der Rex begrüßte Mauersäge und drückte ihm eine Flasche Sekt in die Hand.
Dann kam die Ansprache:
„Liebe Jungens...“, rief der Graf in näselndem Tonfall, machte „ks“ und eine lange Pause. „Erste Schaltung“, zählte Stephan.
„Eigentlich heißt es ja Jungen’“, tuschelte Strehlau, der neben Andi stand.
„Liebe Jungens“,
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