Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß
Vormittags im Krankenquartier melden sollen. Da die Schwester später frühstückt, vermisst sie uns nicht, und die andern, die uns vermissen, denken, wir wären schon dort.“
„Mensch“, brummte Kuno anerkennend und legte sich lang.
Die Zeit wollte und wollte nicht vergehen. Aber schließlich tat sie es doch. Viertel vor neun kletterten die kleinen Ritter in ihre Rüstungen und stellten sich, nachdem sie die hölzernen Ständer im Rauchabzug des großen Kamins versteckt hatten, auf ihre Plätze. Auf der Breitseite in der Mitte, Andi als Wilder Eberhard, ihm gegenüber zwischen den Fenstern zum Burghof der kleine Eberhard, an der Stirnseite rechts und links vom Kamin Egon und Kuno und am anderen Ende neben der Tür zum Treppenhaus der kleine Herbert mit dem riesigen Topfhelm als „Ritter Wasserkopf, wie er sich selber nannte.
Jean und die gräfliche Köchin erschienen mit einem Korb voll Gläser und Geschirr, stellten ihn ab, gingen, und es dauerte endlos, bis sie wiederkamen.
Die Rüstungen fingen an zu drücken und zu zwicken, unter den Visieren wurde es schwül, das Kreuz und die Füße taten weh, aber bis auf ein Verlagern des Gewichts, ein Drehen der Arme oder des Kopfes wagten die fünf keine Veränderung. Jeden Augenblick konnte jemand hereinkommen, den sie bei ihrer behinderten Sicht nicht gleich bemerkten. In diesen Stunden erfuhren die jungen Ritter vieles über die täglichen Leiden ihrer Vorbilder.
Als Jean und die Köchin den Sekt und die Platten brachten, war alle Mühsal vergessen.
Endlich kamen die hohen Herrschaften. Gemessenen Schrittes, sich eifrig unterhaltend, strebten sie dem Büfett zu, nahmen sich etwas zu essen oder zu trinken oder beides und verteilten sich in kleineren Gruppen überall im Saal.
„Nehmt nur, nehmt ordentlich, es ist genug da“, ermunterte Graf Mauersäge seine Verwandten.
Jean ging mit einer Sektflasche von einem zum andern, um nachzuschenken. Eisern standen die Ritter. Eigentlich war alles viel einfacher, als sie gedacht hatten. Von den Gesprächen war kaum etwas zu verstehen. Einerseits wegen der Helme, andererseits weil alle durcheinander sprachen. Eines fiel den Rittern dabei auf: die Namen, bei denen sie einander immer und immer wieder nannten. Sie waren richtig kindisch: Bibi und Fipsi, Mucki und Mecki, Alfi, Fritzi, Pupsi, Gusti und Nicki. Nur eine hagere, alte Dame, mit einer schmalen Hakennase wie Mauersäge, hatte einen richtigen Namen: Tante Clothilde. Auch zwei Kinder gehörten zur Gesellschaft, ein Junge und ein Mädchen. Andi ahnte gleich nichts Gutes und beschloss, sie im Auge zu behalten. Aber sie blieben am Büfett und stopften recht unfein Brötchen in sich hinein. Und wenn sie gerade nicht futterten, tranken sie Limonade. Die Erwachsenen, die reichlich Sekt tranken, wurden immer lauter und lustiger, dass es die Ritter wagen konnten, von Zeit zu Zeit das Gewicht zu verlagern oder sich vorsichtig zu strecken. Fast wurde es schon ein bisschen langweilig, und Andi war drauf und dran, das Zeichen zur großen Überraschung zu geben.
Aber da kam Tante Clothilde mit dem kahlen Nicki und blieb unmittelbar vor ihm stehen. In der einen Hand das Sektglas, in der anderen ihre Handtasche, sagte sie: „Ach, Nicki, Guter, besorg mir doch mal eine Zigarre.“
Nicki trat an das Büfett, nahm eine Zigarre aus der Kiste, schnitt das Ende ab und brachte sie Tante Clothilde.
„Ah, Vasco da Gama Eminentes, meine Lieblingsmarke!“ strahlte sie, steckte das kaffeebraune Monstrum zwischen ihre langen Hamsterzähne und ließ sich von Nicki Feuer geben.
„Danke, Bester, danke.“ Und sie blies eine Rauchwolke genau in Andis Visier, dass er den Atem anhalten musste, um nicht zu husten. Dann redete sie, redete, zog an der Zigarre, redete weiter, zog, redete, zog. Der kahle Nicki tat das einzig Vernünftige: er nickte und trank. Als die Aschenspitze an Tante Clothildes Zigarre eine beachtliche Länge erreicht hatte, sah sie sich, ohne ihren Redefluss zu unterbrechen, nach einem Aschenbecher um. Nicki, der gerade trank, merkte es nicht, worauf Tante Clothilde die Zigarre kurz entschlossen in einen Schlitz von Andis Visier steckte und die Aschenspitze abstreifte. Genau vor Andis linkem Auge fiel die Spitze in den Helm und rutschte hinunter in seinen offenen Hemdkragen. Ein Glück, dass das nicht die ganze Zigarre war! dachte Andi, als sein Blick auf den kleinen Herbert fiel. Ihm ging es noch schlimmer. Die beiden Kinder hatten seinen riesigen Topfhelm entdeckt und
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