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Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß

Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß

Titel: Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Kopf!“
    Demnach wäre ich ja ein besonders alter Ritter, dachte Andi und überlegte, was er antworten könne, um ja keinen Verdacht zu erregen. Sein rechter Arm wurde immer schwerer.
    „Parkettwachsen ist ein prima Armtraining“, sagte er und war auch davon überzeugt. „Und wie ich meine Trainingspause ausnutze, ist ja mir überlassen. Wenn es Ihnen recht ist, komme ich morgen wieder.“
    „Du hast eine sehr noble Auffassung vom Sport“, lobte Jean. Er hatte seinen Lappen beiseite gelegt und sah Andi beim Arbeiten zu.
    Andi wachste den Boden zu Ende und zählte dabei die ringsherum an den Wänden aufgestellten Rüstungen. Jean hielt ihm bei Bedarf die Dose mit dem Parkettwachs hin, so formvollendet, als handle es sich um ein Silbertablett mit Kaviarbrötchen. Er war sichtlich zufrieden, dass ihm einer Gesellschaft leistete. Noch dazu auf so nützliche Art.
    Ohne dass Andi ihn gefragt hätte, berichtete er von dem bevorstehenden Familienbesuch: „Die hohen Herrschaften treffen morgens um elf Uhr von Neustadt kommend hier ein, dreiundzwanzig Personen. Eventuell vierundzwanzig, falls die Markgräfin von Pipslingen bis dahin wieder gesund ist. Der Graf empfängt in der Bibliothek, elf Uhr dreißig reiche ich dann ein Sektfrühstück hier im Rittersaal. Was meinst du, was da los ist.“
    Das war auch Andis Gedanke: Da musste etwas los sein!
    Am nächsten Morgen kam er wieder während der Trainingspause, um Jean behilflich zu sein. Diesmal empfing ihn der vornehme Diener in gestreifter Weste mit schwarzen Ärmeln.
    „Ich habe dir den Bohner bereitgestellt. Das Wachs ist über Nacht eingezogen, und du darfst es jetzt blank bohnern. Du wirst sehen, das ist ein ausgezeichnetes Training für deine Arme.“ Und er fuhr fort, die Rüstungen abzustauben.

    Andi blockte mit Eifer und musste ihm recht geben.
    „Brav, brav“, lobte Jean, als er fertig war. „Da werden sich die hohen Herrschaften freuen! Zum Dank werde ich dir auch eine Zigarre und ein Glas Sekt auf die Seite tun.“
    „Nein, lieber nicht“, sagte Andi, denn die Ritter rauchten nicht und tranken auch keinen Alkohol. Sie waren stolz darauf, diesen Verweichlichungen zu widerstehen. Doch dafür hatte Jean bestimmt kein Verständnis. Deshalb fügte er noch hinzu: „Ich bin Sportler im Training.“
    „Gut“, sagte Jean. „Dann darfst du dir etwas anderes wünschen.“
    Das ließ Andi sich nicht zweimal sagen. „Wenn ich mal so eine Rüstung umbinden dürfte... Ich habe noch eine Viertelstunde Zeit.“
    „Aber selbstverständlich“, sagte Jean und half ihm, eine passende zu finden. „Das ist gar nicht so einfach, du bist schon ziemlich groß; vor fünfhundert Jahren waren die Leute viel kleiner.“
    Wie ein General, der die Front abschreitet, ging Andi von Rüstung zu Rüstung.
    „Die da müsste passen“, sagte er und blieb vor einem Rittergewand mit prächtigem rotem Helmbusch stehen.
    „Da hast du dir gleich die richtige ausgesucht.“ Jean lachte. „Das ist die vom Wilden Eberhard!“
    Er nahm die einzelnen Teile von dem Holzgestell und half Andi hinein.
    „Die wiegt aber ganz schön“, sagte Andi, nachdem er die ersten Schritte getan hatte. „Und die Sicht ist auch nicht übermäßig gut.“
    „Dafür siehst du fabelhaft aus. Wie der Wilde Eberhard persönlich. Ein Ritter ohne Furcht und Tadel.“
    „Schade, dass man sich hier nirgendwo sehen kann“, sagte Andi, und seine Stimme klang wie aus einem uralten Trichtergrammophon.
    „Warte, ich hole dir einen Spiegel.“
    Jean ging hinaus; Andi klappte das Visier hoch, das aber gleich wieder herunterfiel. War vielleicht doch keine gute Idee! dachte er. In dem Ding kann man nicht viel machen. Aber da kam ihm schon ein neuer Einfall. So rasch es die Rüstung erlaubte, räumte er das Gestell weg, auf dem sie sonst hing und stellte sich in die Lücke, zwischen die anderen Rüstungen. Dann nahm er seinen Helm ab und vertauschte ihn gegen den seines linken Nachbarn, der einen gelben Federbusch trug. Er war gerade fertig, da kam Jean mit dem Spiegel zurück. Andi stand unbeweglich. „Wo bist du denn?“ fragte Jean und sah sich um. Andi musste lachen hinter seinem Visier, verhielt sich aber mucksmäuschenstill.
    „Andi, bist du noch da?“ fragte Jean, ging ans Fenster und schaute hinunter in den Burghof.
    Andi gab einen hohen Piepston von sich. Jean fuhr herum. „Ach, da bist du ja. Natürlich. Hätte ich mir doch denken können.“
    Mit diesen Worten kam er herüber, stellte sich vor der

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