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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nicht mehr, wie er sich schützen sollte. Eine Frau schob sich an ihm vorbei und sagte heftiger als nötig »Con permesso«, aber schließlich stand er ja auch reglos mitten auf der breiten Straße und versperrte ihr den Weg aus der calle. Ihre Bemerkung riss ihn aus seinen Betrachtungen, er trat in den Eingang der calle zurück, wo es wenigstens ein bisschen Schatten gab.
    Nach einigen Sekunden wagte er sich in die Via Garibaldi und die Hitze hinaus. Die Bank war rechts von ihm; dahinter versteckten sich ein paar Tische unter den Schirmen vor einer Bar. An einem davon saßen Pucetti und eine junge Frau, die über etwas lachte, was der junge Beamte gerade sagte. Sie hatte helles Haar, kurz geschnitten wie ein Junge, aber ihr enges weißes T-Shirt machte diesen Vergleich zunichte. Beide trugen Sonnenbrillen und Pucetti ein schwarzes T-Shirt, das nicht weniger eng war als das des Mädchens, nur ohne die gleiche Wirkung.
    Brunetti zog sich in die calle zurück, zählte bis dreißig und trat wieder in die Sonne. Pucetti und die junge Frau standen gerade auf. Brunetti bemerkte, dass sie einen sehr kurzen Rock trug, der ihre braungebrannten Beine zur Geltung brachte; beide hatten Sandalen an. Vor der Bank – zwischen ihm und den beiden jungen Polizisten – stand eine ältere Frau, in Gedanken versunken, als berechne sie, wie jeder Venezianer, den kürzesten Weg zu ihrem nächsten Ziel. Sie sah zum Himmel auf, als sei dort die Temperatur abzulesen. Sie trug eine weite Baumwollhose und eine hellgrüne Bluse mit langen Ärmeln. An den Füßen hatte sie flache braune Pumps. Sie besaß die kräftige Statur von Frauen, die viele Kinder bekommen haben und ihr ganzes Leben lang in Bewegung gewesen sind. Von ihrer Schulter hing eine braune Ledertasche, deren Riemen sie fest mit beiden Händen umklammerte. Sie wandte sich nach links, in Richtung embarcadero und Riva degli Schiavoni. Sie ging etwas nach vorn gebeugt und schien ihr rechtes Bein zu schonen.
    Gleichzeitig mit ihr setzte sich das attraktive junge Pärchen, das der Bootshaltestelle schon etwas näher war, in Bewegung und schlenderte ihr voraus. Pucetti legte seiner Gefährtin einen Arm um die Schultern, aber das war wohl zu warm, also begnügten sie sich mit Händchenhalten. Am Schaufenster eines Sportartikelladens blieben sie stehen, und die alte Frau ging an ihnen vorbei, ohne auf sie zu achten. Sie folgten ihr langsam, und Brunetti folgte den dreien.
    Am Ende der Via Garibaldi ging die alte Frau zum embarcadero und nahm auf der Bank am Wasser Platz. Das Pärchen blieb am Kiosk stehen, wo der junge Mann eine Men’s Health kaufte. Von links kam eine Nummer zwei, und die alte Frau erhob sich. Ohne jede Eile zogen die jungen Leute ihre i MOB -Karten durch und schritten über den Steg aufs Boot. Als die Leinen losgemacht wurden und das Boot abzulegen begann, ging Brunetti gerade noch rechtzeitig an Bord, bevor die Schranke zugezogen wurde.
    Die alte Frau saß in der Kabine, auf einem Gangplatz in der ersten Reihe, so nah wie möglich an der offenen Tür, durch die ein wenig Luft einströmen mochte. Pucetti hatte seine Zeitschrift auf der hölzernen Ablage hinter der Lotsenkabine ausgebreitet, er zeigte auf ein graues Leinenjackett und fragte seine Begleiterin, was sie davon hielt. Er selbst wandte den Passagieren den Rücken zu, während sie, die ihm gegenüberstand, die alte Frau im Blick behalten konnte.
    Brunetti stellte sich neben Pucetti. Die junge Frau sah zu ihm auf und nahm fast unmerklich Haltung an; Pucetti konzentrierte sich weiter auf das Jackett und sagte: »Habe mir gedacht, dass Vianello Ihnen Bescheid sagt, Signore.«
    »Ja, das hat er.«
    »Sollen wir so weitermachen: Wir folgen ihr, und Sie folgen uns?«
    »Scheint mir das Beste«, sagte Brunetti.
    Das Boot legte bei San Zaccaria an, Pucetti blätterte in der Zeitschrift und zog seine Gefährtin näher, um ihr etwas zu zeigen. Einige Seiten weiter fuhren sie unter der Accademia-Brücke hindurch, dann kam San Samuele, und schließlich hörte Brunetti die Kollegin sagen: »Sie steht auf.«
    Pucetti schlug die Zeitschrift zu, beugte sich zur Seite und gab der jungen Frau einen Kuss auf die Schläfe. Sie schmiegte ihren Kopf an seinen und sagte etwas, dann lösten sie sich voneinander, und als sie bei San Tomà ausstiegen, ließen sie einige Passagiere zwischen sich und der alten Frau mit der braunen Schultertasche durch; der Mann im blauen Baumwolljackett folgte mit etwas Abstand.
    Am Ende der calle bog

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