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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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»Nie einen Tag versäumt? Abgesehen von dem Tag, als sein Vater begraben wurde? Und Sie sagen, dieser Mann ist Beamter?«
    »In der Tat«, sagte sie. »Soll ich Ihnen einen Stuhl holen, Commissario?«
    »Nicht nötig«, sagte er mit ersterbender Stimme, stützte sich theatralisch auf ihren Schreibtisch und ließ kraftlos den Kopf hängen: »Wenn ich nur mal kurz so stehen bleiben darf, geht’s mir gleich besser.« Nach einem Moment nahm er die Hand vorsichtig hoch und schüttelte mehrmals den Kopf. »Gestern hat Pucetti gesagt, er habe etwas erlebt, wovon er noch seinen Enkeln erzählen werde. Ich glaube, dies ist auch so etwas. In fünfunddreißig Jahren nur ein einziges Mal nicht zur Arbeit erschienen.« Er starrte die Wand an, als wäre die Zahl dort eingebrannt. Dann wurde er schnell wieder ernst. »Was sonst noch?«, fragte er.
    »Er und seine Mutter leben in der Nähe von San Leonardo. Bis vor drei Jahren waren sie in Castello, dann sind sie in diese Wohnung in einem Palazzo an der Misericordia umgezogen.«
    »Alle Achtung«, horchte Brunetti auf. »Arbeitet die Mutter?«
    »Nein. Auch früher nie.«
    »Wäre interessant zu wissen, wovon er die Miete bezahlt, nicht wahr?«, fragte Brunetti.
    »Das dürfte ihm nicht schwerfallen«, sagte sie zu seiner Überraschung.
    »Warum? Ist die Wohnung so klein?«
    »Nein, ganz im Gegenteil. Hundertfünfzig Quadratmeter.«
    »Und wie schafft er es dann, die Miete zu bezahlen?«
    Ihr kleines selbstgefälliges Lächeln hätte ihm eine Warnung sein sollen. »Weil die Miete nur vierhundertfünfzig Euro beträgt«, sagte Signorina Elettra, um dann genüsslich hinzuzufügen: »Jedenfalls legen die monatlichen Überweisungen von seinem Konto diesen Schluss nahe.«
    »Für eine Wohnung an der Misericordia? Hundertfünfzig Quadratmeter?«
    »Vielleicht haben Sie Ihren Enkeln jetzt noch etwas zu erzählen, Dottore«, sagte sie lächelnd.
    Seine Gedanken überschlugen sich. Erpressung? Ein Vertrag, in dem eine niedrigere Miete eingetragen war – Fontana zahlte den Rest in bar, und der Vermieter konnte Steuern sparen? Ein Verwandter?
    »An wen gehen die Überweisungen?«, fragte er.
    »Marco Puntera.«
    Das war der Name eines Geschäftsmanns, der in Mailand mit Immobilien ein Vermögen gemacht hatte und vor sieben oder acht Jahren in seine Heimatstadt Venedig zurückgekehrt war.
    Theoretisch, dachte Brunetti, mögen ja alle Menschen gleich sein, aber woher sollte ein Gerichtsdiener einen Mann kennen, der so reich war, wie man es Puntera nachsagte, und wieso bekam er eine Wohnung mit einer so niedrigen Miete?
    »Puntera besitzt viele Wohnungen, oder?«, fragte Brunetti.
    »Mindestens zwölf, und alle sind vermietet. Und zwei Palazzi am Canal Grande. Ebenfalls vermietet.«
    »Zu vergleichbaren Preisen?«, fragte Brunetti.
    »Ich hatte noch keine Zeit, das zu überprüfen, Signore. Aber offenbar sind etliche davon an betuchte Ausländer gegangen.« Sie unterbrach sich, als suche sie nach dem richtigen Wort. Schließlich sagte sie: »Er gilt als Zierde der anglo-amerikanischen Gemeinde.«
    »Aber er ist weder Anglo noch Amerikaner«, entfuhr es Brunetti, der mit Punteras jüngerem Bruder in die Grundschule gegangen war.
    »Trotzdem gehört er zu diesem erlesenen Zirkel, Signore«, insistierte sie ungerührt. »Dauergast am Pool des Cipriani; Weihnachtslieder in der Englischen Kirche; Party am Independence Day; auf Du und Du mit den Inhabern der vornehmsten Restaurants.«
    Für Brunetti hörte sich das wie eine Höllenqual an, die Dante übersehen hatte. »Und so ein Mann vermietet Fontana ein Haus zu Tiefstpreisen?«, fragte er mit ungläubigem Staunen.
    »Hat ganz den Anschein.«
    »Haben Sie sonst noch etwas herausgefunden?«, fragte er.
    »Ich wollte erst von Ihnen hören, Commissario, ob die Verbindung zwischen diesen beiden Ihnen auch so dubios vorkommt wie mir.«
    »Eher finde ich sie faszinierend«, sagte Brunetti, der nie genug bekommen konnte von den verblüffenden Beziehungen, die sich zwischen den Leuten in dieser Stadt ergaben. Je ungewöhnlicher die Verbindung, desto reizvollere Möglichkeiten taten sich auf.
    »Gut«, sagte sie. »Das dachte ich mir.« Sie holte Luft. »Um Genaueres in Erfahrung zu bringen, müsste ich einige Leute um einen Gefallen bitten, und das würde ich ungern ohne Ihre Zustimmung tun.«
    Er sah Signorina Elettra an und fragte: »An was denken Sie?«
    Statt darauf zu antworten, erklärte sie unvermittelt: »Freut mich, dass Sie mit dem Dienstplan

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