Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
ja.«
Entdeckte Brunetti da einen Schweißfleck an der Innenseite des Kragens ihrer Bluse? »Patta ist der Einzige, der so etwas nie mitbekommt«, versuchte er, sie zu trösten.
Sie zuckte die Achseln, holte tief Luft und sagte schon wesentlich ruhiger: »Wahrscheinlich ist es besser so. Solange Patta nicht weiß, dass ich das mit links mache, solange er – und sein Tenente – sich für unersetzlich halten, kann ich machen, was ich will.«
»Riverre meint, wenn Sie hier das Sagen hätten, würde alles viel besser laufen.«
»Ah, Narrenmund…«, sagte sie mit einem Lächeln.
Brunetti nahm den abgerissenen Faden wieder auf. »Also, was wollen Sie in Sachen Fontana unternehmen?« Übersetzt lautete diese Frage: Wen wollen Sie fragen, und was für Verbindlichkeiten laden wir uns dadurch auf?
»Am Tribunale arbeitet jemand, den ich seit Jahren kenne. Wenn ich am Rialto bin, besuche ich ihn gelegentlich in seinem Büro, manchmal gehen wir einen Kaffee trinken, oder er kommt mit, die Blumen fürs Büro kaufen. Er hat mich ein paarmal zum Essen eingeladen, aber ich hatte immer zu viel zu tun. Habe ich jedenfalls behauptet.« Sie lächelte Brunetti an. »Ich warte bis Dienstag, dann gehe ich zum Blumenmarkt. Auf dem Rückweg könnte ich bei ihm vorbeigehen und ihn fragen, ob er Zeit für einen Kaffee hat.«
»Was stimmt nicht mit ihm?«
»Oh, gar nichts. Er ist ehrlich und fleißig und sieht ziemlich gut aus.« Wie sie das sagte, konnte man meinen, sie zähle seine Fehler auf.
»Und?«
»Und sehr langweilig. Wenn ich einen Witz mache, sieht er mich mit seinen großen braunen Augen an wie ein begossener Pudel und hofft, dass ich nicht böse bin, weil er das Kunststück einfach nicht lernen kann.«
»Aber er arbeitet beim Tribunale?«
»Und mein Fleisch ist schwach«, seufzte sie. »Eine günstige Gelegenheit kann ich mir einfach nicht entgehen lassen.« Sie kam seiner Frage zuvor. »Und das ist eine äußerst günstige Gelegenheit. Ein Kaffee mit ihm, und er breitet sämtliche Geheimnisse des Tribunale vor mir aus, wenn ich ihn danach frage.«
»Haben Sie das schon mal ausprobiert?«
»Noch nie«, sagte sie. »Ich wollte ihn mir immer in Reserve halten.« Sie suchte nach einem passenden Vergleich. »Wie ein Eichhörnchen, das eine Nuss vergräbt, für den Fall, dass es ein langer harter Winter wird.«
»Mich erinnert es eher an den Wolf im Rotkäppchen «, sagte Brunetti, »der sich als Großmutter verkleidet und nur den richtigen Zeitpunkt abwartet, die Kleine zu fressen.«
»Aber ich will ihn nicht fressen«, beteuerte sie. »Ich will ihm nur ein paar Fragen stellen.«
»Wenn Paris eine Messe wert ist«, bemerkte Brunetti, »dann sind Informationen über Fontana vielleicht einen Kaffee wert.«
»Nicht Sie müssen den mit ihm trinken«, sagte sie spröde.
»Ich weiß«, sagte Brunetti, ganz und gar nicht sicher, wie viel Wahrheit oder Flunkerei in ihrer Geschichte steckte – da konnte man sich bei Signorina Elettra nie ganz sicher sein. Um von dem Thema wegzukommen, fragte er: »Und Signor Puntera?«
»Ein Freund von mir bei der Bank war mal als Berater für ihn tätig, glaube ich. Falls er noch in Venedig arbeitet, frage ich ihn, ob er was weiß.«
Brunetti konnte sich nicht erinnern, dass Signorina Elettra in all diesen Jahren jemals eine weibliche Quelle benutzt hatte. »Kann man Männer leichter zum Reden bringen?«, fragte er.
»Sie meinen, leichter als Frauen?«
»Ja.«
Sie legte den Kopf schief und sah nach der geschlossenen Tür von Pattas Büro. »Vermutlich. Frauen sind viel zurückhaltender als Männer, jedenfalls wenn es ums Prahlen geht. Oder wir prahlen mit anderen Dingen.«
»Und deswegen ziehen Sie es vor, Männer zu benutzen?«, fragte er und merkte erst zu spät, in was für einem schlechten Licht er sie damit erscheinen ließ.
»Nein«, antwortete sie ruhig. »Weil es noch unanständiger wäre, auf diese Weise von Frauen Informationen zu erlangen.«
»Unanständig?«, fragte er.
»Natürlich ist das unanständig. Ich nutze die Arglosigkeit der Leute aus und missbrauche ihr Vertrauen. Ist das Ihrer Meinung nach nicht unanständig?«
»Ist es unanständiger, als sich in fremde Computer einzuschleichen?«, fragte er, obwohl er ihrer Meinung war.
Sie sah ihn betroffen an, als staune sie, dass er eine solche Frage überhaupt stellen konnte. »Selbstverständlich, Dottore. Informationssysteme sind auf die Abwehr von Eindringlingen eingerichtet: Man geht davon aus, dass Leute in
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