Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
einverstanden sind, Commissario. Ich werde ihn im Lauf des Tages verteilen.«
»Gut, Signorina. Ich danke Ihnen«, schaltete Brunetti ebenso problemlos um, wandte sich zum Gehen und tat sehr überrascht, als er hinter sich Vice-Questore Giuseppe Patta und dessen Werkzeug Tenente Scarpa erblickte.
»Ah, guten Morgen, Vice-Questore«, sagte Brunetti mit freundlichem Lächeln. Und dann, wie Kopernikus bei der Entdeckung eines kleineren Planeten: »Tenente.«
Patta war schon fast am Zenit seiner sommerlichen Bräune angelangt. Seit Mai ging er täglich im Pool des Hotels Cipriani schwimmen, und inzwischen war er fast so braun wie eine Rosskastanie. Nur noch wenige Wochen, und er hatte auch das geschafft, dann aber würden die Tage kürzer werden und die Sonne ihre brutale Kraft einbüßen. Im Oktober würde der Vice-Questore einem caffè macchiato gleichen, in den von Woche zu Woche mehr Milch geschüttet wurde, bis er im Dezember bleich wie ein Cappuccino wäre. Und falls er nicht den Weihnachtsurlaub dazu nutzte, seine Farbe auf den Malediven oder den Seychellen wieder aufzufrischen, lief Patta Gefahr, den Frühlingsbeginn als blasser Schatten seiner sommerlichen Erscheinung zu erleben.
»Signorina Elettra hat mir soeben den neuen Sommerdienstplan erläutert«, sagte Brunetti und nickte Scarpa leutselig lächelnd zu. »Ausgezeichnet, wie dank solcher Innovationen die Möglichkeiten des Personaleinsatzes maximiert werden, Signore.« Patta lächelte, aber Scarpa funkelte Brunetti wütend an. »Ich sehe hier kreatives Organisationstalent und planerische Weitsicht am Werk, wenn ich mir« – und hier senkte er zum Zeichen seiner Ehrfurcht und Bescheidenheit den Blick – »diese Bemerkung gestatten darf.«
»Freut mich, dass Sie das so sehen«, sagte Patta geschmeichelt. »Ich muss gestehen«, und jetzt war es Patta, der sich in den Mantel der Bescheidenheit hüllte, »ohne die praktischen Erfahrungen des Tenente mit unseren Leuten wäre ich nicht ganz so weit gekommen.«
»Es geht doch nichts über Teamarbeit«, strahlte Brunetti.
Signorina Elettra wählte diesen Moment, um sich einzuschalten. »Vorhin kam ein Anruf für Sie vom Cipriani, Vice-Questore. Es ging um Ihren Tisch für morgen Mittag, wenn Sie Kontakt aufnehmen könnten.«
»Danke, Signorina«, sagte Patta und schritt zur Tür seines Büros. »Das erledige ich sofort.« Er folgte seiner wahren Berufung und ließ die drei in Signorina Elettras Büro allein zurück.
Um Zeit zu gewinnen, öffnete Signorina Elettra eine Schublade, nahm die aktuelle Ausgabe der Vogue heraus und legte sie aufgeschlagen auf ihre Tastatur.
Brunetti ging einen Schritt auf sie zu, warf einen Blick in die Zeitschrift und fragte: »Halten Sie diese Seitenschlitze in Jacketts für eine gute Idee?«
»Ich bin mir noch nicht schlüssig, Commissario. Was sagt denn Ihre Frau dazu?«
»Jacketts ohne Schlitze gefallen ihr besser. Sie findet sie vorteilhafter für ihre Figur. Vielleicht, weil sie recht groß ist. Aber diese hier ist nicht übel«, sagte er und zeigte auf eine beigefarbene Jacke in der Mitte der linken Seite. »Ich werde sie heute Abend fragen, ob sie mir Näheres dazu sagen kann.«
Sie sah den Tenente fragend an, aber der hatte zum Thema Schlitze im Jackett offenbar nichts beizutragen und verließ das Büro, ohne jedoch die Tür hinter sich zuzumachen.
»Ein Mann, der keinen Sinn für Mode hat, hat keine Seele«, sagte Signorina Elettra und blätterte um.
12
Scarpa kam offensichtlich nicht wieder, und das Lämpchen für Pattas Telefon glühte rot. Brunetti sagte: »Sie sollten mich nicht in Versuchung führen.«
»Ich sollte mich selbst nicht in Versuchung führen«, sagte sie, schlug die Zeitschrift zu und legte sie in die Schublade zurück. »Aber manchmal ist es zu verlockend, ihm auf den Schlips zu treten.«
»Hat er wirklich den Plan aufgestellt?«
»Selbstverständlich nicht«, fauchte sie. »Das habe ich heute früh in zehn Minuten erledigt. Er lag auf meinem Schreibtisch, als Scarpa reinkam und fragte, was das ist. Ich habe nicht geantwortet, aber ein Blick auf die Überschrift hat ihm genügt. Er schnappt sich das Papier und geht damit zu Patta, und kurz darauf kommt Patta strahlend zu mir raus und lobt Scarpas Initiative.« Sie schnaubte wütend und knallte die Schublade zu.
»Das ist der Lauf der Welt«, sagte Brunetti.
»Dass Frauen die Arbeit machen und Männer das Lob dafür einheimsen?«, fragte sie, immer noch aufgebracht.
»Ich fürchte,
Weitere Kostenlose Bücher