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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Pullover«.
    Die ganze andere Wand war mit metallenen Weinregalen bedeckt, die etwa dreißig Zentimeter über dem Fußboden anfingen und fast bis zur Decke reichten. Brunetti sah sich die Flaschen an; manche Sorten kannte und mochte er, bei anderen hatten sich die Etiketten gelöst und hingen lose herab. Griffoni fragte: »In dieser modrigen Luft, bei diesem Gestank?«
    Brunetti rieb an einem Korken, der sich durch die Metallfolie gedrückt hatte und oben mit einem groben weißen Film überzogen war. Er zog die Flasche heraus. »Neunzehnhundertachtzig«, sagte er und schob die Flasche zurück; das Kratzen von Glas auf Metall ließ sie beide zusammenfahren.
    An der hinteren Wand erkannten sie ein Sofa und eine Stehlampe, die offenbar ausgemustert worden waren. Über die Rückenlehne des Sofas war ein handgeknüpfter Afghan drapiert, knallrot und grün gemustert, daneben stand ein quadratischer Tisch mit einem ergrauten Häkeldeckchen in der Mitte.
    Brunetti sparte sich jeglichen Kommentar zu diesen Gegenständen und sagte zu Griffoni: »Gehen wir rauf und hören uns mal an, was Vianello bis jetzt aus ihr herausgebracht hat.« Das musste sich für jeden, der nichts von dem unheimlichen Talent des Ispettore wusste, auch die störrischsten Zeugen zum Reden zu bringen, wie eine Drohung anhören; für alle hingegen, die Vianello kannten, stand ohnehin fest, dass er etwas erreicht hatte.
    Brunetti nickte Zucchero zu; der salutierte und zog sich wieder in den Schatten zurück.
    »Zweiter Stock«, sagte Griffoni, die ihm voran die Stufen zur offenen Haustür hochging. Drinnen blieben sie am Fuß der ovalen Treppe stehen, die in die oberen Stockwerke führte. Die Marmorstufen waren niedrig, aber breit, und am Ende befand sich ein Oberlicht, das das Treppenhaus erhellte und aufheizte.
    »Waren Sie schon oben?«, fragte Brunetti und blinzelte in das Oberlicht.
    »Nein, nur Scarpa. Der wollte mit ihr reden, als er gehört hatte, dass Fontana bei seiner Mutter lebte. Er hat mich erst in Kenntnis gesetzt, nachdem er schon mit ihr gesprochen hatte.«
    Brunetti sah nach dem jungen Beamten, der den Hof bewachte, dann wandte er sich an Griffoni und fragte: »Was glauben Sie, warum er so lange gewartet hat?«
    »Es geht um Macht«, sagte sie; dann nachdenklicher: »Solange er bestimmen kann, was andere erfahren, weiß er mehr als sie und bildet sich ein, er habe sie in der Hand.« Sie zuckte mit den Schultern. »Eine ziemlich verbreitete Marotte.«
    »An manchen Orten hat es Methode«, sagte Brunetti und machte sich an den Aufstieg.
    In der ersten Etage gab es nur zwei Türen; vor einer davon stand ein Polizist. Als Brunetti und Griffoni auf ihn zukamen, salutierte er und meldete: »Ispettore Vianello ist noch drin.«
    Brunetti wies auf die andere Tür, aber der Beamte sagte: »Diese Seite des Gebäudes ist nicht restauriert, Signore. Die Wohnungen stehen alle leer.« Er kam Brunettis Frage zuvor: »Wir haben sie überprüft, Signore.«
    Brunetti nickte, klopfte zweimal an die Tür, die leicht offen stand, und ging hinein. In der Wohnung war es dunkel, er sah nur einen matten Lichtschein am Ende des langen Flurs. Griffoni trat unwillkürlich einen Schritt näher an ihn heran, bis ihr Arm den seinen berührte. Sie blieben erst einmal stehen, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und sie in dem Flur dunkle Schatten erkennen konnten. Rechts neben sich bemerkte Brunetti die Umrisse einer Tür; er machte sie auf, um vielleicht etwas Licht in den Flur zu lassen, aber das Zimmer war dunkel, und er sah lediglich vier dünne senkrechte Stäbe aus Gold. Erst nach einigen Sekunden wurde ihm klar, dass es sich um helle Spalten am Rand der Läden vor zwei Fenstern handelte. Auch in diesem Raum sahen sie Schatten von irgendwelchen herumstehenden Gegenständen.
    Er tastete die Wand im Flur nach einem Lichtschalter ab. Schließlich fand er einen, und auf halbem Weg nach hinten ging eine funzelige Deckenlampe an. Die Gegenstände traten deutlicher hervor: schmale Tische, niedrige Truhen, ein paar Stehlampen, ein Koffer – alles dicht an den Wänden aufgereiht.
    Als sich vom Ende des Flurs eine gedämpfte Stimme, vielleicht auch zwei, vernehmen ließ, gingen sie beide im selben Augenblick los. Vorbei an einer weiteren Tür rechts und noch einer links. Normalerweise wäre eine so schattige Wohnung bei der Hitze eine Wohltat gewesen, doch nicht hier. Die Luft war so abgestanden, wie Luft es nur sein konnte. Sie stemmte sich ihnen entgegen,

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