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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Ihm fiel ein, was Brusca gesagt hatte: Wenn man Sex, Sex, Sex ausschließen kann, bleibt Geld, Geld, Geld übrig.
    Eine graue Katze kam über den Rasen und sprang neben ihm auf das Mäuerchen. Er streckte eine Hand aus, und die Katze drückte ihren Kopf dagegen. Er kraulte sie hinter den Ohren, und sie kuschelte sich an ihn. Nachdem er sie minutenlang gestreichelt hatte, schlief sie zu seiner Überraschung ein. Brunetti schob sie sachte beiseite und sagte: »Wie oft habe ich dir nicht schon gesagt, du sollst keinen Pelz tragen«, und machte sich auf den Rückweg zur Questura.
    Signorina Elettra schien erfreut, ihn zu sehen, lächelte aber nicht. »Tut mir leid, dass Ihr Urlaub nur so kurz war, Commissario«, begrüßte sie ihn.
    »Mir auch. Meine Familie läuft in Pullovern herum und macht abends ein Feuer im Kamin.«
    »Wollten Sie nicht auch nach Südtirol?«
    »Doch, ich bin aber nur bis Bozen gekommen.«
    Sie schüttelte den Kopf – so ein Jammer! – und fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
    »Haben Sie die Namen der Leute ermittelt, die an den Prozessen auf unserer Liste beteiligt waren?«, fragte er.
    »Leider erst heute Vormittag«, sagte sie und zeigte auf einen kleinen Stapel Papiere auf ihrem Schreibtisch. Offenbar Gerichtsunterlagen, die man ihr geschickt hatte. »Die wollte ich Ihnen nachher raufbringen.«
    Brunetti sah auf seine Uhr: kurz vor elf. »Wo ich schon einmal da bin.«
    Sie schob ihm die Papiere hin. »Zweimal ist Signor Puntera beteiligt«, sagte sie und wies auf die, die er mit Bleistift und rotem Kugelschreiber eingekreist hatte.
    »Signor Puntera«, sagte Brunetti. »Das ist ja sehr interessant.« Er nickte ihr aufmunternd zu.
    »Im ersten Fall geht es um eine Schadensersatzforderung der Familie eines jungen Mannes, der bei einem Unfall in einem von Signor Punteras Lagerhäusern verletzt wurde.«
    »Hier?«
    »Ja. Er hat zwei Lagerhäuser, drüben in der Nähe des Ghettos. Er besitzt eine Firma, die Gebäude restauriert, und die lagert dort ihr Material.«
    »Und was ist da passiert?«
    »Dieser junge Mann – es war erst sein dritter Arbeitstag, der arme Kerl – musste Zementsäcke zu einem Boot auf dem Kanal hinter dem Lagerhaus schleppen. Ein anderer Arbeiter im Boot hat sie gestapelt. Als der Erste sich eine Zeitlang nicht blicken ließ, ging der Mann vom Boot ihn suchen und fand ihn auf dem Fußboden, das heißt, er fand seine Füße. Ein ganzer Berg von Zementsäcken war auf ihn runtergerutscht.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Das weiß keiner. Niemand war dabei. Die Verteidigung behauptet, entweder habe er einen Sack von unten herausgezogen, oder aber er habe sie überhaupt von Anfang an falsch gestapelt. In dem Lagerhaus gab es einen Gabelstapler, mit dem Paletten mit Sandsäcken verladen wurden, und der Anwalt des Klägers sagt, der Fahrer müsse auf der anderen Seite des Stapels etwas verschoben haben. Der Fahrer bestreitet das, angeblich hat er den ganzen Vormittag in einem anderen Teil des Lagerhauses gearbeitet.«
    »Was ist mit dem jungen Mann passiert?«
    »Er fiel aufs Gesicht und wurde unter den Säcken begraben. Einige sind aufgeplatzt und haben ihn mit Sand überschüttet. Er hat sich einen Arm und ein Bein gebrochen, aber der Sauerstoffmangel hat noch viel schlimmere Schäden angerichtet.«
    »Wie geht es ihm heute?«
    »Sein Anwalt sagt, er ist auf dem geistigen Niveau eines Kindes.«
    »Maria Vergine«, flüsterte Brunetti, der das Entsetzen des Jungen nachempfand, die Panik, das furchtbare Gefühl, lebendig begraben zu sein.
    »Sein Anwalt«, wiederholte Brunetti. »Wer hat den Prozess angestrengt?«
    »Die Eltern. Er wird sein Leben lang Pflege brauchen, und sie wollen ihn nicht in ein staatliches Heim geben.« Brunetti nickte: Das wollten keine Eltern ihrem Kind antun. Oder sich selbst. Oder ihrem Nachbarn.
    »Und weiter?«
    »Sein Anwalt hat mir erzählt, als Erstes habe Puntera der Familie eine Abfindung angeboten, wenn sie die Klage zurückziehen würden. Das schlugen sie aus, und die Sache kam vor Gericht, aber irgendwie ist bei dem Prozess von Anfang an alles schiefgelaufen. Immer wieder wurden Termine vertagt oder verschoben.«
    »Verstehe«, sagte Brunetti. Er sah auf der Liste nach: Der Unfall hatte sich vor über vier Jahren ereignet. »Und wo ist er untergebracht, bis das Gericht zu einer Entscheidung kommt?«
    »Im Krankenhaus in Mestre, aber übers Wochenende holt seine Familie ihn nach Hause.«
    »Wie wird das ausgehen?«, fragte Brunetti, dabei

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