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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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tastete er nach der Sonnenbrille in seinem Jackett. Sie war in der rechten Tasche, hatte sich aber so in seinem Taschentuch verhakt, dass er sie nicht herausbekam. Er blinzelte durch halbgeschlossene Augen, um nachzusehen, was da nicht stimmte, und in diesem Moment trat Signora Fulgoni am Arm einer anderen, noch größeren, aber nicht so schlanken Frau aus der Kirche ins grelle Tageslicht. Beide trugen breitschultrige Hosenanzüge, und beide blieben kurz stehen, um ihre Sonnenbrillen aufzusetzen.
    Nach einem weiteren Versuch hatte er die Brille aus der Tasche befreit. Er setzte sie auf, und jetzt erkannte er, dass die Person an Signora Fulgonis Arm in Wirklichkeit ein Mann war; er trug genau die gleiche Sonnenbrille wie sie, hatte aber trotz seiner Größe und der akkuraten Kurzhaarfrisur eine ausgesprochen weibliche Ausstrahlung. Sie schritten die Kirchenstufen hinunter und folgten den anderen ans Wasser.
    »Und alsobald fiel es von seinen Augen wie Schuppen«, flüsterte Brunetti, selbst erstaunt, dass ihm der passende Spruch einfiel.
    »Was?«, fragte Vianello.
    »Patta hat herumgewitzelt, der Mörder käme immer zur Beerdigung«, antwortete Brunetti.
    Im Schutz seiner Sonnenbrille und leicht verwirrt schaute Vianello über den Vorplatz der Kirche zu den Leuten hinüber, die sich vor dem Boot versammelt hatten, das Fontanas Sarg nach San Michele bringen würde. Er sah, was auch Brunetti sah: die Mutter des Toten, die gerade das Boot bestieg, das ihren Sohn fortbringen sollte; Penzo stocksteif neben einer stämmigen dicken Frau, Zinka; der Maresciallo, die Hand zum Salut erhoben, und die zwei großen schmalen Gestalten links neben ihm.
    Brunetti, dem Vianellos Verblüffung nicht entging, sagte nur: »Warte, bis die beiden sich umdrehen.«
    Brunetti und Vianello warteten so gespannt, dass sie die Hitze plötzlich nicht mehr wahrnahmen. Der Mann, der Signora Fontana begleitet hatte, half ihr aufs Boot und folgte ihr dann an Bord und in die Kabine. Jemand an Land machte die Leine los, und das Boot entfernte sich langsam von der riva. Die anderen blieben reglos stehen, bis das Geräusch des Motors nicht mehr zu hören war. Erst dann wandten die Zurückgebliebenen sich wie auf Kommando nach links oder rechts und verließen den Ort der Trauer.
    Brunetti fiel auf, dass Penzo in eine andere Richtung ging als Signora Zinka, die sich den beiden jungen Leuten anschloss. Sie bewegten sich in Richtung Misericordia, und Zinka ging hinter ihnen her.
    Signora Fulgoni schien das Paar im Auge behalten zu wollen, sie blieb stehen und hielt den Arm ihres Begleiters umklammert, bis die beiden über die Brücke und in der calle gegenüber verschwunden waren. Dann hob sie den Kopf und sagte etwas zu der Person neben sich, worauf sie in derselben Richtung wie das Pärchen aufbrachen. Jetzt war Signora Fulgonis Begleiter deutlich im Profil zu sehen.
    Es war eindeutig ein Mann, der da an Signora Fulgonis Seite ging. Nichts Ungewöhnliches. Sie sagte etwas zu ihm, und er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Es kam zu einem offenbar nicht sehr freundlichen Wortwechsel, dann nahm der Mann seinen Arm aus ihrem und fuchtelte mit der Hand, als wolle er sie fortscheuchen. War da etwas in der Art, wie er das Handgelenk nach unten knickte und mit den Fingern auf den Boden zeigte, was Vianello plötzlich die Augen öffnete? Oder war es das Rucken seines Kopfs, eine Bewegung, die sich in ihrer Theatralik gar nicht bewusst war, dass sie nur wie eine Parodie von Zorn daherkam?
    »›Mein Mann ist Bankdirektor‹«, sagte Vianello.
    Die Sonne brannte vom Scheitelpunkt ihrer Bahn auf sie nieder, die Hitze lastete schwer wie Blei. Brunetti sah auf seine Uhr, als die Glocken irgendeiner Kirche in der Ferne zu läuten begannen. Erstaunt sah er zum Glockenturm von Madonna dell’Orto empor: Nichts rührte sich. »Die Glocken läuten nicht«, sagte er verwundert.

29
     
    Auch was Signor und Signora Fulgoni anbelangte, blieb Patta, wie Brunetti bereits geahnt und befürchtet hatte, hartnäckig bei seiner Weigerung, sie getrennt voneinander nach ihren Aktivitäten in der Nacht von Fontanas Tod befragen zu lassen. Des Weiteren wies Patta darauf hin, dass man niemanden zwingen könne, »zu Ausschlusszwecken« eine DNA -Probe abzugeben. Oder mit irgendeiner anderen Begründung.
    Brunetti gab es noch immer einen Stich, wenn er an Pattas Reaktion auf seine Erklärung dachte, warum er die Fulgonis vernehmen wollte. »Sie wollen, dass ich mein Amt aufs Spiel setze,

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