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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Mauren besprochen, wie er sich den Fulgonis gegenüber verhalten sollte, aber da der Mann seit Jahrhunderten nichts anderes im Sinn hatte, als sein schwer beladenes Tier von der venezianischen Palazzomauer weg in seine Heimat im Orient zu führen, ließ Brunetti es bleiben.
    Er nannte Signora Fulgoni seinen Namen, und sie öffnete ihm ohne weitere Fragen mit dem Summer das Tor. Bevor er die Treppe hinaufging, schritt Brunetti noch einmal den Hof ab; der Kreideumriss von Fontanas Leiche war längst beseitigt worden, nur noch ein paar dünne graue Streifen liefen zu den kleinen Abflusslöchern in der Mitte des Hofs. Das Absperrband war verschwunden, aber die schweren Ketten hingen immer noch vor den Lagerräumen.
    Wie beim vorigen Mal erwartete ihn Signora Fulgoni an der Wohnungstür, und wieder ließ sie seine ausgestreckte Hand unbeachtet. Bei ihrem Anblick – mit ihrer strengen Frisur glich sie einer Karyatide, allerdings mit rosa Lippenstift – fragte er sich, wie sie es schaffte, tagelang völlig unverändert auszusehen: etwa mit Vakuumverpackung? Er folgte ihr durch den Flur in dasselbe Zimmer wie beim letzten Mal, das immer noch den Eindruck machte, als sei es ein Ausstellungsraum und kein Wohnzimmer.
    »Signora«, sagte er, als sie einander gegenübersaßen, »ich habe noch einige Fragen zum Abend von Signor Fontanas Tod. Es kann sein, dass wir nicht alles, was Sie uns erzählt haben, richtig verstanden haben.« Brunetti verzichtete darauf, die Frage mit einem Lächeln zu begleiten.
    Sie schien überrascht, fast gekränkt. Wie konnte ein Polizist falsch verstanden haben, was sie gesagt hatte? Und wie konnte es überhaupt jemand wagen, die Genauigkeit ihrer Angaben anzuzweifeln? Doch sie stellte keine Fragen – sie wartete ab.
    »Sie sagten, Sie und Ihr Mann hätten an diesem Abend einen Spaziergang gemacht, um sich ein wenig abzukühlen, und als Sie von der Strada Nuova abbogen, hätten die Glocken von Madonna dell’Orto Mitternacht geschlagen. Sind Sie sicher, dass es Mitternacht war, Signora, und nicht etwa das Läuten zur halben Stunde oder vielleicht sogar eine ganze Stunde später?« Sein Lächeln war noch unschuldiger als seine Frage.
    Fassungslos wie die Hausherrin einer Datscha, deren Leibeigener sich ihrem Hinweis zu widersetzen wagt, welche Löffel er zum Tee zu reichen habe, starrte Signora Fulgoni ihn lange an. »Diese Glocken läuten seit Generationen«, erklärte sie mit einer Entrüstung, die sie nur aus Höflichkeit nicht in deutlichere Worte fasste. »Wollen Sie andeuten, ich würde die nicht erkennen oder nicht wissen, welche Stunde sie schlagen?«
    »Gewiss nicht, Signora«, sagte er mit zurückhaltendem Lächeln. »Aber könnte es nicht doch sein, dass Sie sie mit den Glocken einer anderen Kirche verwechselt haben, die weniger genau die Stunden schlagen?«
    In der Mauer ihrer Geduld taten sich die ersten Risse auf. »Ich bin Mitglied dieser Gemeinde, Commissario. Sie werden mir ja wohl noch zubilligen, dass ich die Glocken meiner eigenen Kirche erkenne.«
    »Natürlich, natürlich«, sagte Brunetti gleichmütig, statt vor Ehrfurcht vom Stuhl zu fallen und eilig zur Tür zu kriechen. »Signora, Sie sagten, Sie und Ihr Mann seien mit dem Toten nicht näher bekannt gewesen.«
    »Das ist korrekt«, sagte sie spröde und legte zur Bekräftigung die gefalteten Hände in den Schoß.
    »Wie kann es dann sein«, fragte er, um sie endlich aus der Reserve zu locken, »dass wir sowohl von Signor Fontana als auch von Ihrem Mann an derselben Stelle im Hof Spuren gefunden haben?«
    Das hatte gesessen. Brunetti hätte sie nicht empfindlicher treffen können. Ihr Mund klappte auf, hastig hielt sie eine Hand davor. Sie starrte ihn an, als sehe sie ihn zum ersten Mal und als gefalle ihr der Anblick ganz und gar nicht. Dann aber hatte sie sich wieder unter Kontrolle und alle Anzeichen von Überraschung beseitigt.
    »Ich habe keine Ahnung, wie das möglich sein könnte, Commissario.« Sie widmete diesem Rätsel einige Sekunden und bot schließlich als Lösung an: »Es kann natürlich sein, dass mein Mann Signor Fontana auf dem Hof getroffen und es nicht für wichtig genug gehalten hat, mir davon zu erzählen. Vielleicht hat er ihm geholfen, irgendetwas zu tragen.«
    Es gehörte nicht zu Brunettis Erfahrungsschatz, dass Bankdirektoren irgendwem beim Tragen schwerer Gegenstände halfen, aber er ließ das mit einem freundlichen Nicken durchgehen.
    »Und Ihr Mann hat die Wohnung an diesem Abend nicht ohne Sie

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