Auf Umwegen ins Herz
bist meine Freundin und verstehst mich. Ich bin nun mal nicht so wie du. Ich steig nicht mit jedem ins Bett, nur weil er mir gefällt. Für mich müssen Gefühle vorhanden sein – von beiden Seiten. Denkst du, ich hab Bock drauf, wieder für einen Lügner das Betthäschen zu sein? Bei Georg wusste ich es nicht besser, ich hab ihm geglaubt und darauf vertraut, dass er mir die Wahrheit sagt. Blindes Vertrauen nennt man so was wohl. Ich war so … so … leichtgläubig!“
Wütend über meine eigene Dummheit legte ich die Gewichte ziemlich laut aus der Hand. Zum Glück bemerkte es niemand.
„Bei Julian weiß ich, was ich selbst erlebt habe … mit ihm … und … dass er damals ein Arschloch war. Heißt es nicht: einmal Arschloch – immer Arschloch? Ich weiß nicht, was ich jetzt von ihm denken soll.“ Unruhig tigerte ich zwischen Hantelbank und dem großen Wandspiegel hin und her.
„Es wäre schön, wenn ich ihm glauben könnte, doch … inzwischen bin ich da wohl ein gebranntes Kind. Isa, kannst du dich nicht mehr daran erinnern, was du mir vor gut zwei Jahren gesagt hast? ‚Irgendwann wird dich auch jemand so sehr verletzen, dass du mich verstehen wirst.‘“
Meine Freundin blickte mich betroffen an.
„Isa, ich wurde so sehr verletzt, sogar schon zweimal in meinem Leben. Weißt du, ich versteh dich wirklich, dass du keinen Mann mehr so nah an dich ran lässt, keine Gefühle entstehen lässt, seitdem dir Jürgen das Herz herausgerissen hat. Du steigst mit ihnen in die Kiste und beendest das Ganze, bevor es ernst wird. Fällt dir was auf? … Ich lasse auch keinen mehr an mich ran! Aber ich schlafe auch nicht mit ihnen, nur um meinen sexuellen Frust abzubauen.“
Um meinen Adrenalinspiegel etwas nach unten zu fahren, trank ich einen Schluck Wasser. Dann wandte ich mich wieder Isa zu.
„Für mich gehören Sex und Liebe untrennbar zusammen – deshalb gibt es für mich auch keinen Sex mit Julian. Er scheint jetzt ganz nett zu sein, aber ich liebe ihn nicht. Und ich kann mir momentan auch nicht vorstellen, dass sich meine Gefühle für ihn ändern werden, weil … weil ich offenbar so was wie … einen Schutzmechanismus habe, der jedes Mal meinen Verstand einschaltet, sobald mein Herz zu schnell zu schlagen beginnt. Schön für dich, dass du Gefühle außen vor lassen kannst, doch für mich kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.“
Nach diesem impulsiven Redeschwall musste ich tief Luft holen. Isa stand vor mir, ihre Hanteln lagen immer noch auf der Fitnessbank, auf der ich eigentlich Sit-ups machen wollte. Erschöpft setzte ich mich. Nachdenklich sah sie mich an. Ich wusste nicht, was ich noch hinzufügen sollte, und hoffte auf eine Reaktion von ihr, da ich schon befürchtete, einen Keil zwischen uns getrieben zu haben.
Dass wir nicht derselben Meinung waren, kam eigentlich so gut wie nie vor. Immer dachten wir das Gleiche oder hatten zumindest vollstes Verständnis für die Sichtweise der anderen. Jetzt hatten wir wohl unsere Premiere, und auch Isa schien diese Veränderung zu merken. Ich beobachtete die wechselnden Emotionen in ihrem Gesicht und blickte dann ratlos auf meine Schuhe.
„Tut mir leid, ich hab wohl etwas überreagiert. Du weißt, ich mein das nicht böse, Isa.“
Sie setzte sich neben mich und nahm meine Hände in die ihren. Ich sah sie an und bemerkte, dass mein Monolog sie offensichtlich sehr mitgenommen hatte.
„Nein, mir tut es leid. War blöd von mir. Du steckst gerade in einer … Achterbahn der Gefühle, und alles, was ich tue, ist, dir zu raten, mit ihm zu schlafen. Das hilft dir nicht weiter, es ändert das Durcheinander in dir nicht. Ich kann nicht von dir verlangen, meine Taktik zu übernehmen, nur, weil es bei mir super funktioniert – was es im Übrigen nicht wirklich tut. Auch ich spiele mir hier was vor, aber ich weiß es und kann so halbwegs damit leben.“
Ihr Geständnis und ihre Ehrlichkeit zu dem Thema berührten und schockierten mich zugleich. Ich war immer überzeugt gewesen, dass sie tatsächlich so cool zu Sex und Beziehungen eingestellt war. Mir wurde bewusst, wie sehr ich die letzten Monate – wenn nicht Jahre – mit mir selbst beschäftigt gewesen war und gar nicht bemerkt hatte, wie es tatsächlich in meiner Freundin aussah.
Das schlechte Gewissen sprudelte hoch und sorgte für eine belegte Stimme, als ich versuchte, das so weit wie möglich gutzumachen. Ich drückte ihre Hände ganz fest.
„Ich bin eine schlechte Freundin. Erst
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