Auf Umwegen ins Herz
Beruf hast …“, löcherte ich ihn.
„Du hast recht, Jana. Ich war wirklich zuerst auf der technischen Hochschule für Maschinenbau, doch je länger ich dort war, desto mehr wurde mir klar, dass das nicht mein Ding ist.“
Nach allem, was er mir vorhin erzählt hatte, glaubte ich ihm aufs Wort. „Und wie bist du dann auf Kinder- und Jugendpsychologie gekommen?“
„Ein Freund meinte, ich sollte es mit Psychologie probieren. Seit dem ersten Tag auf der Uni wusste ich, dass das für mich das Richtige ist.“
Wir begannen, uns Geschichtchen aus unserem Berufsalltag zu erzählen, und ich war verblüfft darüber, dass Julian sich offensichtlich für meine Arbeit interessierte. Wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mich nicht daran erinnern, wann sich zuletzt ein Mann in dieser Weise für mich und mein Leben begeistert hatte. Klar hatte Georg gewusst, was ich arbeitete, jedoch wollte er keine Einzelheiten wissen, geschweige denn, dass er sich jemals erkundigt hatte, wie mein Arbeitstag verlaufen war. Wahrscheinlich wollte er auf diese Art verhindern, dass ich selbst über seinen Job Fragen stellte, die er mir im Zweifelsfall nicht einmal hätte beantworten können.
Julian und ich legten eine kurze Pause ein und ließen uns auf einer großen Wiese ins Gras fallen, wo wir uns die Sonne ins Gesicht scheinen ließen und Neele beim Bienenfangen zusahen.
„Spielst du eigentlich noch Fußball?“
Julian legte sich zurück und stützte sich mit den Ellenbogen auf. Er schloss die Augen und hielt sein Gesicht der Sonne entgegen. Seine Haut schimmerte golden, und ich musste mich zusammenreißen, um ihm nicht über seine Wange zu streicheln.
„Nein … schon lange nicht mehr. Ich bin inzwischen auf den Berg gekommen.“ Er öffnete seine Augen und zwinkerte mir zu. Sofort hatte ich wieder das Foto mit seinem kraftvollen Körper vor Augen, wie er an der Felswand hochkletterte. Ich musste schlucken, woraufhin Julians Grinsen nur noch breiter wurde. Dieser Mistkerl wusste ganz genau, woran ich dachte! Schmunzelnd und mit hitzigen Wangen legte ich mich neben ihn ins Gras und sah den Wolken zu. Julian tat es mir gleich.
„Schau mal, dort oben, die Wolke … die sieht aus wie Neele.“ Julian streckte seinen kräftigen Arm aus, und ich folgte seinem Blick.
„Tatsächlich!“ Ich musste schmunzeln. „Das erinnert mich gerade an die Zeit im ‚Boot’, als wir im Sommer immer unter dem alten Nussbaum lagen und Wolkentiere beobachtet haben.“
„Mhm … Das war eine schöne Zeit, damals … im Gras … neben dir.“
Damals wie heute klopfte mir mein Herz bis zum Hals.
„Weißt du, … das hab ich bisher noch niemandem erzählt, aber … wenn ich die Wolken beobachte, muss ich immer an einen verrückten Traum aus meiner Kindheit denken.“
War das jetzt sein Ablenkungsmanöver, damit ich nicht nachhakte? Ich musste grinsen.
„Und der wäre?“
„Du darfst aber nicht lachen, versprochen? Und auch nicht weitererzählen. Niemandem!“ Er schielte zu mir herüber und wartete meine Antwort ab.
Ich versuchte, ein ernstes Gesicht zu machen und nickte artig. „Versprochen! Indianer-Ehrenwort.“
Er grinste geheimnisvoll, dann schaute er wieder hinauf in den Himmel und begann zu erzählen. „Also gut … Ich träumte, ich stehe auf einem Hügel auf einer großen Wiese, ähnlich wie diese hier. Es ist finstere Nacht. Der Himmel ist bewölkt, und man kann die Sterne nicht sehen. Ich will aber unbedingt den Sternenhimmel beobachten. Immerhin habe ich mich so sehr darauf gefreut.“
Ich drehte mich zur Seite und richtete mich etwas auf, um Julian bei seiner Schilderung zu beobachten. Ich war gespannt auf den Einblick in sein Unterbewusstsein.
„Jedenfalls bin ich so wütend, dass ich nach oben greife und die Wolken vom Himmel reiße.“ Er machte die Geste mit beiden Händen nach. „Was da zum Vorschein kommt, ist das unglaublichste Sternenbild, dass du dir vorstellen kannst. Zusätzlich zu den abertausenden funkelnden Pünktchen am schwarzen Nachthimmel kann ich die Planeten unseres Sonnensystems sehen. Sie sind so groß und so nah … und ihre Farben so unglaublich intensiv …“
Seine Arme zogen große Kreise, um mir die Ausmaße zu verdeutlichen. „Ich muss die Hände ausstrecken, weil ich sie unbedingt berühren will. Sie kommen immer näher, direkt auf mich zu, und ich hoffe so sehr, dass einer so nahe kommen wird, dass ich auf ihn hinüberspringen kann.“
Ich wollte es wirklich verhindern, aber … ich
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