Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Umwegen ins Herz

Auf Umwegen ins Herz

Titel: Auf Umwegen ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Saxx
Vom Netzwerk:
schaffen wir …“, versicherte ich ihm.

    Erst drehte ich den Badezimmerschlüssel und anschließend mich selbst um – und blickte dem Schrecken ins Angesicht. Ich hielt beide Hände ans Gesicht und brüllte stumm in mich hinein. Im großen Spiegel über dem Waschbecken mir gegenüber formte sich eine Kopie von Edvard Munchs „Der Schrei“.
    Keine zehn Minuten fürs Styling, knappe zwanzig weitere für die Fahrt, und wir könnten noch rechtzeitig im Restaurant sein. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und gegen die geschwollenen Augen anzukommen, wusch ich mir mit eiskaltem Wasser mein Gesicht. Im Schnelldurchlauf putzte ich die Zähne und spülte mit der extrascharfen Mundspülung nach.
    Ich zog den Pyjama aus, schlüpfte in den beigefarbenen Rock, der kurz über dem Knie endete, und zog mir das dunkelbraune Bandeau mit den cremefarbenen Stickereien über – zum Glück hatte ich bereits gestern Abend mein Outfit ausgesucht und über den Badewannenrand gelegt. Ich schickte ein telepathisches Dankeschön zu meiner Mom, die mir, seit ich zurückdenken kann, gepredigt hatte, sich die Kleidung am Vortag zurechtzulegen, wenn am nächsten Tag ein wichtiges Ereignis bevorstand. So blieb mir heute der Weg ins Schlafzimmer, und somit erneut an Julian vorbei, erspart.
    Irgendwie machte es mich nervös, wenn ich daran dachte, dass er sich in dem Moment auf der anderen Seite der Tür aufhielt – in meiner Wohnung, meinem Heiligtum, wo ich mir nach der Episode mit Georg geschworen hatte, lange keinen Mann mehr hineinzulassen. Dass es jetzt so unerwartet dazu gekommen war, störte mich in seinem Fall eigenartigerweise gar nicht. Gut, abgesehen davon, dass er mich in diesem unmöglichen Aufzug gesehen hatte.
    Hektisch fing ich an, meine Haare irgendwie passabel zu bändigen, und kämmte, was das Zeug beziehungsweise die Haarbürste und vor allem meine Haarwurzeln hielten. Meine Gedanken hatten inzwischen dieselbe Geschwindigkeit wie meine Hände erreicht und schossen wie wild durcheinander. Wenn ich daran dachte, wo Julian für uns reserviert hatte, in einem der schicksten und romantischsten Restaurants mit Blick über die ganze Stadt, kribbelte es in meinem Bauch.
    Meine Haare hatte ich inzwischen zu einem lockeren Dutt hochgesteckt. Kajal und Mascara, Deo und Parfum folgten, und für die wenigen Minuten „Arbeit“ war ich tatsächlich mit meinem Spiegelbild zufrieden. Ich stieß den Atem heftig aus und öffnete die Tür – zurück in die Höhle des Löwen.
    Julian stand im Wohnzimmer und inspizierte mein Bücherregal. Als er mich hörte, wendete er den Kopf in meine Richtung, und an seinem überraschten Blick war zu erkennen, dass er tatsächlich noch nicht mit mir gerechnet hatte. Oder lag es eher daran, dass ich in so kurzer Zeit ein doch äußerst passables Ergebnis zustande gebracht hatte?
    Ich genoss seinen Blick, als ich auf ihn zuging, und schnappte nach der Handtasche auf dem Sideboard. „Auf gehts“, ließ ich ihn wissen, und war auch schon vorm Schuhschrank, aus dem ich meine dunkelbraunen Stilettos zog.

    Die Autofahrt verlief ruhig, aber es war kein unangenehmes Schweigen. Wir saßen nebeneinander und genossen die Stille, ohne dass wir das Gefühl hatten, etwas sagen zu müssen. Schön, wenn man auch miteinander schweigen konnte.
    Ich nutzte den Vorteil des Beifahrers und musterte Julian von der Seite. Nur hin und wieder, wenn wir bei einer Ampel hielten, trafen sich unsere Blicke, woraufhin sich die feinen Härchen auf meinen Armen aufstellten – was nichts mit der Klimaanlage zu tun hatte. Seine dunklen Haare hatte er lässig mit etwas Gel in Form gebracht, und am liebsten hätte ich meine Finger hineingewühlt. An seinem Kinn ließ ein dunkler Schatten den Bart erkennen, der ihn so unglaublich männlich machte. Er trug ein dunkelblaues Poloshirt – seine Augen strahlten dadurch noch intensiver –, und unfairerweise genügte ein Blick von ihm, um meine Gedanken ins Stocken zu bringen.

    Die Aussicht von der Restaurantterrasse war atemberaubend. Die Luft war heute so klar, dass man sogar die Berge am Horizont erkennen konnte. Und Linz lag direkt vor uns, geschäftig, bunt und doch so klein und übersichtlich. Ich liebte die Stadt!
    Es war lange her, dass ich in dem Restaurant Gast gewesen war. Das letzte Mal, denke ich, zur Hochzeit einer Freundin vor vier Jahren. Heute saßen wir direkt am Geländer der Terrasse, mit genügend Abstand zu anderen Gästen. Doch ich war mir sicher, dass dieser Platz

Weitere Kostenlose Bücher