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Auf Umwegen ins Herz

Auf Umwegen ins Herz

Titel: Auf Umwegen ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Saxx
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Alkoholiker sind? Du weißt schon, der mit den rötlichen Haaren. Und jetzt rate einmal, was aus unserem Freund geworden ist …“
    Julian machte eine dramatische Pause, in der ich ihn nur ungläubig anstarren konnte. Gut, dass die meisten unserer damaligen Freunde aus zerrütteten Familienverhältnissen kamen, war uns schon klar gewesen. Aber es wurde so gut wie nie darüber gesprochen, und wenn doch, dann oft nur unter vier Augen mit unseren Betreuern. Wir Kinder und Jugendliche redeten untereinander nur selten darüber. Wir genossen es einfach, im „Boot“ zu sein, weg von den Problemen, die an uns hingen wie ein Klotz am Bein.
    Als der Kellner unsere Essensbestellungen aufgenommen hatte, fiel mir wieder das unglaubliche Zusammentreffen mit einer gemeinsamen Freundin aus unserem Jugendzentrum ein.
    „Kannst du dich noch an Carola erinnern?“, wollte ich von Julian wissen. Er kratzte sich am Kinn, ehe er nachhakte: „Meinst du die mit den vielen Locken?“
    „Genau die.“ Ich nickte. „Also ich war letzten Sommer an einem meiner freien Tage – es war sehr heiß – shoppen. Ich kam aus der Umkleidekabine, da stand sie vor mir. Wir unterhielten uns kurz über alte Zeiten. Ich fand es total nett, nach so langer Zeit wieder mit ihr zu plaudern. Aber weißt du, was eigenartig war?“
    Julian schüttelte den Kopf.
    „Zuerst wusste ich auch nicht, was es war,“ ich machte eine bedeutungsvolle Pause und fegte ein paar Brotkrümel vom Tisch. „… doch dann fiel mir auf, dass sie am wahrscheinlich heißesten Tag des Jahres mit einem langärmeligen Shirt herumlief. Mir lief der Schweiß trotz Neckholder-Shirt in Bächen in den Ausschnitt, und mir war absolut nicht klar, wie sie das aushielt.“
    „Ein Neckholder-Shirt?“
    „Ja, das ist ein Shirt, das …“
    „Ich weiß“, unterbrach Julian mich und scannte mich mit einem breiten Grinsen. Ich versuchte, nicht nervös zu werden und unbeirrt weiterzuerzählen. „Ich lüftete den Ausschnitt meines Oberteils …“
    „Tatsächlich?“
    Ich lief rot an, räusperte mich und sprach nun etwas lauter weiter. „… um kühlen Atem hinein zu pusten, und sagte beiläufig, dass die Hitze mich total fertigmache. Carola wedelte sich mit einem unsichtbaren Fächer Luft zu und schob sich gedankenverloren die Ärmel nach oben.“
    Ich wartete eine Reaktion von Julian ab.
    „Was hatte sie dort?“ Er wusste, worauf ich hinaus wollte.
    „Ihre Unterarme waren über und über mit blauen Flecken übersät. Es war vielleicht nicht einmal eine Sekunde, bis ihr bewusst wurde, was sie getan hatte, und sie zog schnell den Stoff wieder über die malträtierte Haut.“
    Julian zog die Augenbrauen hoch. „Und das war alles? Hat sie nichts dazu gesagt? Oder … ist sie daraufhin gegangen?“
    „Ich glaub, sie merkte, dass mir klar war, was sie mir eben anvertraut hatte. Ich konnte sie überreden, in das nächste Café mit mir zu gehen, in dem wir drinnen Platz nahmen.“
    „Drinnen? Am heißesten Tag des Jahres?“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Vermutlich, damit sie keiner sehen konnte, der draußen vorbeiging. Jedenfalls erzählte sie mir dort im Vertrauen, dass ihr Mann sie regelmäßig schlage. Stell dir das mal vor, Julian! Einfach so, als wär das das Normalste auf der Welt.“
    Ich konnte nicht anders, ich musste auch heute wieder aus lauter Ungläubigkeit den Kopf schütteln. „Sie meinte, das gehöre zu seinen ehelichen Pflichten. Ich war erst einmal sprachlos, kannst du dir vorstellen. Mir ist das unbegreiflich, wie eine moderne Frau sich so etwas gefallen lassen kann.“
    „Wenn ich so was schon höre …“ Julians Augen verengten sich. Das Thema schien ihm genauso gegen den Strich zu gehen wie mir.
    „Wart ab, es kommt noch besser …!“
    „Will ich das jetzt wissen?“
    „Mhm.“ Ich lehnte mich ihm entgegen und nahm wieder seinen verführerischen Duft wahr. „Also … Ich riet ihr, sofort zur Polizei zu gehen. Aber anstatt dankbar für meine Unterstützung zu sein, sah sie mich bestürzt an. Sie meinte, dass sie keinen Grund dazu habe, kannst du dir das vorstellen?“
    „Wie bitte?“ Julian war sprachlos, und ich erzählte weiter. „Ja! Sie sagte wortwörtlich zu mir: ‚Er ist mein Mann, und ich hab ihm zu gehorchen. Wenn ich das nicht tue und meine Arbeiten nicht so erledige, wie er es gerne haben möchte, dann muss er mir das immerhin auch irgendwie verdeutlichen.’“
    Mir wurde schlecht, als ich die Unterhaltung von damals wiedergab. Ich nahm

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