Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
öffnete einen Spalt breit die Tür und lugte vorsichtig hindurch. Was ich erblickte, war geradezu unwirklich. Das Bett, das Zimmer, der Fußboden, alles war mit Rosenblättern übersät. Kerzen flackerten und mittendrin stand ein strahlender, wenn auch unsicher blickender Flavio. Noch vor wenigen Augenblicken war der Raum ein normal möbliertes Zimmer gewesen. Und nun, der aromatische Duft der Blumenblätter, der Geruch der Kerzen und dann noch Flavio! Am liebsten würde ich mich ganz schnell verkriechen. Versehentlich stieß ich mit dem Arm gegen die Tür. Zum Rückzug war es zu spät. Flavio hatte mich gehört. Er drehte sich zu mir um, kam auf mich zu und zog mich aus dem Badezimmer. „Du bist etwas zu früh“, nuschelte er, „ich bin noch nicht fertig!“ Ich floh zurück ins Bad, verriegelte die Tür. Für einen kurzen Moment saß ich wie betäubt auf dem Badewannenrand. Langsam drang in mein Bewusstsein, was da draußen vor sich ging. Ewig konnte ich mich ja nicht verbarrikadieren. Während ich noch überlegte, was ich wohl anziehen könne - im Badezimmer ist die Auswahl ja nicht so vielfältig - klopfte es leise an der Tür und Flavio bat mich heraus. Hastig zog ich mein nicht mehr so ganz sauberes T-Shirt über, schlüpfte in die Jeans und schloss die Tür auf. Sobald ich eintrat, drangen leise spanische Gitarrenklänge an mein Ohr. Musiker standen verborgen hinter dem Terrassenvorhang und stimmten bei meinem Eintritt ein zärtliches, spanisches Liebeslied an.
Feierlich angetan mit einer schwarzen Hose, einem schneeweißen Hemd und dem typischen Chápiro kniete Flavio vor mir nieder. Er räusperte sich nervös: „Livi“, setzte er auf Spanisch an, „ich liebe Dich, willst Du meine Frau werden? Ich will Dich lieben und ehren für den Rest meines Lebens.“ Meine Knie schlotterten, meine Lippen zitterten, Tränen verschleierten mir den Blick. Eine Fieberwelle überzog meine Haut. Eine rote Rose konnte nicht roter sein als mein Gesicht. Ein Kloß steckte in meiner Kehle. Nervös wartete Flavio auf meine Antwort. Er zog ein Taschentuch aus der Hose und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Endlich erlöste ich ihn aus seiner knienden Haltung, zog ihn hoch, legte die Hände hinter seinem Kopf zusammen und hauchte: „Ich liebe Dich und ja, ich möchte Deine Frau werden.“ „Du willst mich also wirklich heiraten?“, stieß er hervor. „Ja, ich will!“ Die Gitarristen hatten mit angehaltenem Atem gelauscht, und nun, nach meinem Ja-Wort, entlockten sie ihren Instrumenten ein furioses Crescendo und zogen sich dann diskret zurück, um uns beide allein zu lassen. Stürmisch umfasste Flavio meine Taille und wirbelte mich überschwänglich herum. „Du bist mein Leben!“, schrie er glücklich und zog mich hinaus auf die Terrasse. Er hatte für alles gesorgt. Dort, in einer schattigen Ecke, stand in einem Eiskübel eine Flasche Champagner und daneben eine Kristallschale mit roten, saftigen Erdbeeren. Flavio nahm die Champagnerflasche, öffnete sie, als ihm einfiel, dass ich in meinem Zustand keinen Alkohol mehr trinken durfte. „Ach“, meinte er gut gelaunt, „dann stoßen wir eben mit Orangensaft an!“
Genau in dem Moment, als Flavio mich auf seinen Schoß zog, um mir ganz nah zu sein, klingelte nebenan das Telefon. „Mist“, schimpfte er, „soll es doch klingeln.“ Der Anrufer war ziemlich hartnäckig - es hörte nicht auf zu läuten. Mit einem ärgerlichen Unterton in der Stimme meldete er sich. „Di Romero“, wechselte aber sogleich seine Stimmlage. „Mama!“, begrüßte er sie liebevoll. „Schön, dass ich Dich dran habe. Ich hätte Dich und Papa heute Abend sowieso angerufen!“ „Du machst mich neugierig!“, erwiderte seine Mama. „Nein, bis heute Abend müsst Ihr Euch gedulden. Aber sag mal, warum rufst Du mich an?“ Einen Moment war es still am anderen Ende. „Mama bist Du noch da?“ „Alsooo“, zog seine Mutter das Wort in die Länge, „ich wollte Dich nur daran erinnern, dass Dein Vater Geburtstag hat und heute Abend eine große Party stattfindet.“ „Das hätte ich vor Glück fast vergessen. Leg ein Gedeck mehr auf, ich bringe einen sehr lieben Gast mit.“ „Ich freue mich, dass ihr kommt. Ich werde das sofort veranlassen. Dann bis heute Abend, mein Junge!“ - und „Klick“ schon war die Verbindung unterbrochen.
Bestürzt hatte ich zugehört. Ich sollte heute Abend mit Flavio seine Eltern besuchen? Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Wie sollte das denn gehen?
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