Auf und ab - Mord in Hellwege
es ihm gleich.
»Halt dich tapfer«, murmelte er.
Damit trennten sie sich.
Am Montag hatte sich das Wetter geändert.
Die Sonne, die dem Ort einige fast mediterrane Wochen und Monate beschert hatte, war nun durch ein undefinierbares Grau verdeckt. Es war etwas kühler geworden, und auch aus der Stimmung der Menschen war die sommerliche Unbeschwertheit verschwunden.
Die Urlaubszeit war nun vorbei, und fast unmerklich schlich sich der Gedanke ein, dass der Zenit des Jahres überschritten war und man von jetzt an erst einmal nur Arbeit, Kälte und Dunkelheit erwarten konnte.
Auch Holtens Laune blieb davon nicht unberührt, und sie besserte sich auch nicht, als er den lokalen Sportteil der Zeitung aufschlug und lesen musste, dass die Fußballmannschaft seines Sohnes gegen den Tabellenletzten gespielt und trotz Überzahl kurz vor Schluss noch verloren hatte. Das hatte sie zwei Tabellenplätze gekostet.
»Schwachmanen«, knurrte er mit Verachtung, als er den Bericht in der Zeitung las.
Es läutete. Er legte die Zeitung zur Seite und ging verwundert zur Haustür, um zu öffnen. So früh stellte sich nie Besuch ein, und der Briefträger kam gewöhnlich immer später am Vormittag.
Cornelius von Taten stand draußen. Mit ihm wehte eine Wolke Eau de Toilette hinein, und er entschuldigte sich sofort für sein frühes Erscheinen, denn auch er wusste, dass Holten morgens gern etwas länger schlief. Heute waren seine Knickerbocker hellbraun, aber er trug noch keinen Mantel.
Holten bat ihn herein, und auf die Frage »Kaffee oder Tee?« hörte er ein nettes, aber bestimmtes »Tee, bitte!«.
Das war typisch von Taten, und Holten hatte es nicht anders erwartet.
Er schüttelte sich innerlich. Nach seiner Meinung konnte man Tee trinken, wenn man krank war oder alt, ein normaler Mensch jedoch trank tagsüber Kaffee.
Doch als guter Gastgeber setzte er Teewasser auf. Kaffee stand im Hause Holten ohnehin immer bereit. Als die Getränke auf dem Tisch standen und sie sich kurz über das Wetter und den jeweiligen Gesundheitszustand des anderen ausgetauscht hatten, setzte von Taten sofort an:
»Max, alle sagen, du warst ein guter und erfahrener Ermittler. Ich brauche jetzt deinen Rat. Du kennst doch diesen Kasing.«
Und als Holten nickte, fragte er vollkommen unvermittelt: »Soll ich ihn verhaften?«
Die Frage kam direkt und überraschend, und Holten stutzte. Sollte von Taten zwingende Indizien oder gar Beweise gefunden haben?
»Mach dich nicht lächerlich«, war seine Antwort.
»Warum? Er könnte es gut getan haben, und...«
»Aber du kannst ihn doch nicht verhaften lassen, nur weil er als Erster kurz nach dem Mord am Tatort war und die Tat vom Zeitablauf her begangen haben könnte«, unterbrach ihn Holten.
»Nein, aber das ist es ja nicht allein. Er tut so verdammt unschuldig, und ich bin sicher, dass er mir etwas verschweigt, und mein Gefühl...«
»Cornelius! › Könnte ‹ und › Gefühl ‹ . Du weißt so gut wie ich, dass du für einen Haftbefehl etwas mehr brauchst als solche vagen Vermutungen. Irgendwelche Fakten, ein Motiv zumindest, müsstest du beim Staatsanwalt schon vorlegen können. Der lacht dich ja aus, wenn du einen Haftbefehl beantragst nur auf dein Gefühl hin.«
Jetzt war er beruhigt. Von Taten hatte also doch nichts in der Hand. Holten hielt Bernd Kasing für unschuldig, und so verschwieg er das, was er von Elke Lehmberg gehört hatte. Ein Motiv wäre das wohl ohnehin nur für einen Psychopathen.
Von Taten stellte seinen Becher heftig auf den Tisch zurück.
»Aber ich habe ja etwas!«
Er zog die Augenbrauen in die Höhe, was er immer tat, wenn er etwas seiner Meinung nach Wichtiges vortrug, und fuhr fort:
»Wie du weißt, haben wir seinen Wagen mit in die Kriminaltechnik genommen. Die Reifen hatten natürlich viele verschiedene Flecken, die sie alle untersucht haben. Öl, Farbe, Kaugummi, Hundedreck. Alles, was man an so einem Reifen eben findet. Aber am rechten Vorderreifen sind sie dann auch richtig fündig geworden; dort war ein kleiner Blutfleck, und das Blut ist ganz eindeutig Wilhelm Lehmbergs.«
Von Taten lehnte sich stolz zurück, so, als ob er eine Heldentat vollbracht hätte. Holten saß ganz still und blickte ungläubig zu ihm hinüber.
Eifrig sprach von Taten weiter:
»Sein Wagen stand ungefähr fünfundzwanzig Meter von der Leiche entfernt, und nach seiner Aussage ist er auch nicht näher herangekommen. Der lügt doch!«
Dann machte er eine dramaturgische Pause und sprach die
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