Auf und ab - Mord in Hellwege
gewundert.«
»Da hätte ich aber auch nicht geantwortet«, sagte sie, drehte sich um und ging wieder ins Haus, um in der Küche das Essen vorzubereiten.
Holten war verblüfft und folgte ihr.
»Und warum nicht?«, fragte er.
Susanne antwortete ruhig, wobei sie sich schon mit dem Zerkleinern des Gemüses für die Soße beschäftigte.
»Na, hör mal. Wenn ein Verbrechen passiert und ich ein Motiv gehabt hätte, dieses Verbrechen zu begehen, würde ich es natürlich niemandem sagen und hoffen, dass es keiner erfährt, damit ich nicht verdächtigt werde. Wenn ich aber keinen Anlass habe und aus irgendwelchen merkwürdigen Gründen trotzdem verdächtigt werde, wird mir von Taten oder wer auch immer genau aus diesen Gründen sowieso nicht glauben, eben weil die Indizien so obskur sind. Also, ökonomisch wie ich nun einmal veranlagt bin, sage ich nichts. Und Bernd ist einer der ökonomischsten Menschen, die ich kenne.«
Holten dachte einen Moment nach und konnte dann doch ihrer Argumentation folgen
»Logisch.«
Er goss die Nudeln ab.
»Aber er könnte es mir ja sagen.«
Als sie beim Essen saßen, fragte er sie: »Warum bist du eigentlich nicht zur Kriminalpolizei gegangen?«
»Weil ich lieber mit guten Menschen oder mit Kindern Umgang habe als mit schlechten und lieber verzeihe als bestrafe.«
So war sie.
STEIGFLUG
In den nächsten Tagen war es Holten nicht möglich, die Gedanken an die ganze Geschichte abzuschütteln, obwohl er für gewöhnlich Beruf und Privates gut hatte trennen können. Doch in diesem Fall überschnitten sich beide Bereiche, und er wurde immer wieder aufs Neue darauf gestoßen.
Die regionale und überregionale Presse hatte natürlich ausführlich berichtet und tat es immer noch, wenn auch weniger intensiv. Von Taten hatte verlautbaren lassen, dass es eine heiße Spur gäbe und der Täter wohl bald gefasst sein werde – wahrscheinlich meinte er damit Bernd Kasing. Die Todesanzeigen, allesamt mit einem Ausdruck tiefster Betroffenheit, der Familie, des Architektenverbandes, des Sportvereins, der Flugsportgruppe, seiner Partei, des Gemeinderates und seines Kartenklubs erschienen in loser Folge in der Heimatzeitung. Bernd Kasing rief fast täglich an und fragte nach Neuigkeiten, ob er nun bald verhaftet würde und wann er seinen Transporter wiederbekäme. Im Dorf wurde Holten von denen, die seine berufliche Vergangenheit kannten, auf seine Meinung angesprochen. Und alle wussten natürlich, dass er am Tatort gewesen war.
Nach wie vor konnte sich niemand einen Reim darauf machen, warum ein Mensch auf eine so schreckliche Weise hatte sterben müssen.
Noch nicht einmal seine Frau konnte ihm das Thema ersparen. Am Samstag sagte sie:
»Wir sollten einmal bei Elke vorbeischauen. Erstens gehört sich das so, und zweitens braucht sie vielleicht Hilfe.«
Holten hielt nicht viel von den Dingen, die sich gesellschaftlich › gehörten ‹ und die › man machte ‹ , aber er wusste inzwischen und zweifelte nicht mehr daran, dass er in solchen Fällen auf seine Frau hören musste.
Also standen die beiden am Sonntag in der hellen Vormittagssonne vor Lehmbergs Haustür und läuteten. Elke Lehmberg stand kurz darauf im Eingang, aufrecht wie immer und in Schwarz gekleidet. Holten, der sich seiner despektierlichen Gedanken manchmal nicht erwehren konnte und, wenn er sie aussprach, von seiner Frau dafür gerügt wurde, fand in diesem Moment, dass es bedauerlich wenig Trauerfälle gab, weil Schwarz fast alle Frauen hübscher machte.
Nachdem die beiden Frauen sich mit einer herzlichen Umarmung begrüßt und Holten Elke die Hand gereicht hatte, wurden sie hereingebeten.
Susanne hatte sich getäuscht. Elke brauchte keine Hilfe. Die beiden fast erwachsenen Söhne, Markus und Christian, waren jetzt zu Hause bei ihrer Mutter und unterstützten sie, wo sie konnten. Markus, der Ältere, brachte Kaffee und setzte sich mit in die Runde. Die Unterhaltung, vorwiegend von den Damen geführt, erweckte den Eindruck eines normalen nachbarschaftlichen Besuches. Natürlich ging das Gespräch auch um den Verblichenen und die widrigen Umstände, die ein Todesfall so mit sich bringt, besondere emotionale Regungen waren jedoch nicht zu spüren. Im Großen und Ganzen schien Elke Lehmberg diesen Schicksalsschlag gut zu verarbeiten.
Holten hatte sich in den vergangenen Tagen immer wieder die Frage gestellt, ob er, auch um Kasings willen, in diesem Fall selbst Untersuchungen anstellen sollte. Natürlich hatte er auch mit Susanne
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