Auf und ab - Mord in Hellwege
nächste Frage ganz langsam aus, indem er zwischen den einzelnen Worten bedeutungsschwere Pausen machte:
»Wie kommt das Blut an den Reifen?«
Holten fühlte sich überrumpelt und hatte Schwierigkeiten, von Tatens Verdacht mit einer schnellen Antwort zu begegnen.
So etwas hatte er nicht erwartet. Hatte er etwa dem falschen Mann sein Vertrauen geschenkt? Um Zeit zum Überlegen zu gewinnen, stellte er erst einmal eine Frage:
»Und die Karosserie? Habt ihr daran irgendwelche Spuren gefunden?«
»Nein, keine frischen Beschädigungen und kein Blut. Aber das will nichts heißen, er kann es abgewischt haben. Wir haben ja diesen Lappen mit Lehmbergs Blut daran gefunden.«
Holten schwieg und suchte nach Gegenargumenten.
»Nach meiner Erfahrung müsste nach diesem brutalen Überrollen mindestens eine kleine Delle, eine Lackabschürfung oder etwas Ähnliches zu finden sein. Und auch die Stellen, wo Blut abgewischt wurde, findet ihr ja wohl.«
»Vielleicht, mit Glück für Kasing auch nicht. Aber das ist noch immer nicht alles.«
Er erhob wieder die Stimme.
»Kasing hat behauptet, er wäre in den Sandweg eingebogen, weil dieser Fermental, der Jagdfreund seines Vaters, sich über den neuen Hochstand beschwert hätte, und er hätte noch nach diesem Hochsitz schauen wollen. Tessmann hat bei Fermental angerufen, hat aber nur dessen Frau Marie erreicht. Und warum? Er selbst war am Mordtag überhaupt nicht im Lande, weil er in Afrika auf Safari ist. Er ist es jetzt übrigens immer noch.«
Zufrieden lehnte er sich zurück.
»Ich meine, das reicht für einen Haftbefehl.«
Holten überlegte lange, bevor er von Taten antworten konnte. Er war fest davon überzeugt, dass Bernd nichts mit dem Mord zu tun haben konnte, dafür kannte er ihn zu gut. Er zog eine Zigarette aus der Packung, steckte sie an und achtete dabei nicht auf von Tatens missbilligenden Blick. Dann holte er frischen Kaffee aus der Küche. Wie konnte es sein, dass alles auf Bernd Kasing deutete? Zufall? Oder täuschte er sich in Bernd und der war doch in diese Sache verwickelt? Konnte von Taten am Ende wirklich einmal Recht haben?
› Es kann nicht sein, was nicht sein darf! ‹ , dachte er und traf schließlich seine Entscheidung:
Er musste Bernds Unschuld beweisen, um ihn vor weiteren Verdächtigungen seitens von Tatens schützen, und das würde nur gelingen, wenn er den wahren Täter überführen könnte. Das würde ihm als Pensionär ohne die Unterstützung des gesamten Polizeiapparates nicht leichtfallen. Es hieß, dass er privat zu ermitteln hatte. Es musste sein - und eigentlich wollte er doch nur Ruhe haben.
»Was sagen denn Tessmann und Nase zu deinen Überlegungen?«, fragte er schließlich von Taten.
»Tja, die lassen mich im Stich.«
Er zog die Schultern hoch.
»Nase ist der Meinung, das passe nicht zu dem Mann, wir sehen irgendetwas noch nicht. Tessmann sagt, wir haben noch zu wenig, es reicht noch nicht, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen.«
»Dann könntest du mich jetzt Tessmann-Nase nennen«, schmunzelte Holten und wurde ruhiger, »ich bin der gleichen Meinung. Erstens habt ihr zu wenig, und zweitens kenne ich deinen Verdächtigen und traue ihm so etwas nicht zu. Außerdem läuft er dir nicht weg, er hat hier seine Familie, seinen Betrieb und auch einen Ruf hier im Ort zu verlieren. Fluchtgefahr besteht also nicht. Lass ihn erst einmal in Ruhe.«
Jetzt schwieg von Taten nachdenklich. Leise murmelte er: »Aber unsere Beweise deuten doch ganz eindeutig auf ihn als Täter.«
»Du meinst Indizien. Für mich ist das alles jedoch nicht zwingend, Cornelius«, wandte Holten ein.
»Erst einmal kann der Tat- und Todeszeitpunkt nicht auf die Minute genau festgelegt werden, und das ist in diesem Falle sehr entscheidend. Schon zehn Minuten würden Kasing entlasten. Das Blut kann auf andere Weise an den Reifen gelangt sein, obwohl ich auch noch nicht weiß, wie, und auch die Geschichte mit dem Telefonat muss noch genauer untersucht werden. Da müsstet ihr noch ein wenig genauer ermitteln. Und ein Motiv habt ihr auch nicht.«
Von Taten verzog das Gesicht, kratzte sich am linken Ohrläppchen und sagte nichts. Holten sog an seiner Zigarette und überlegte, ob er richtig entschieden hatte und ob er von Taten und auch sich selbst hatte überzeugen können.
»Na gut«, unterbrach von Taten endlich das Schweigen, »wenn ihr alle dieser Meinung seid, lasse ich ihn noch in Ruhe. Es wäre vielleicht auch zu einfach gewesen.«
Er stand schwerfällig
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