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Auf und ab - Mord in Hellwege

Auf und ab - Mord in Hellwege

Titel: Auf und ab - Mord in Hellwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Wuensche
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benachbarte kleine Gehölz, von wo er die Stelle überblicken konnte, und setzte sich auf den Stamm eines umgestürzten Baumes. Er versuchte, das bis jetzt Erfahrene in irgendeinen Zusammenhang zu bringen, konnte aber keine Lösung finden.
    Zu dieser Tageszeit, kurz vor der Dämmerung, war es still und friedlich in diesem Waldstück. Es war in etwa die gleiche Tageszeit, zu der Lehmberg ermordet worden sein musste, und Holten versuchte sich die Szene vorzustellen, die sich hier abgespielt hatte. Vielleicht war Lehmberg hinter der Kurve versehentlich angefahren worden, nur leicht, und er hatte den Unfallverursacher erkannt. Es hatte eine Auseinandersetzung gegeben, die sich aufgeschaukelt hatte, im Zorn und um einer Bestrafung zu entgehen, hatte der Mörder ihn überrollt.
    So würde auch Bernd Kasing wieder ins Spiel kommen.
    Gab es noch andere Möglichkeiten?
    Holten wollte gerade eine Zigarette aus der Packung in seiner Jackentasche ziehen, als er im rechten Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahrnahm, und als er vorsichtig den Kopf drehte, erblickte er im Halbdunkel des Waldes ein kleines braunes Wesen. Er kannte sich in der heimischen Fauna recht gut aus und wusste sofort, dass es sich um einen kleinen Beutegreifer, einen Baummarder, handelte. Man hatte selten Gelegenheit, ihn ungestört so nah zu beobachten. Das Tier bewegte sich recht vorsichtig von Ast zu Ast, und es war offensichtlich, dass er auf der Suche nach einer guten Abendmahlzeit war. Plötzlich schien es Holten, dass der hübsche Räuber ein Opfer erspäht hatte, denn seine Bewegungen wurden noch behutsamer und heimlicher. Wenn Holten nicht gewusst hätte, dass er da war, er hätte ihn jetzt nicht mehr entdecken können. Nun konnte er auch die vorgesehene Beute ausmachen. Auf der anderen Seite des Eichenstammes saß eine Schwarzdrossel und war intensiv und völlig arglos mit der Abendtoilette beschäftigt, bevor sie den Kopf unter die Flügel stecken und einschlafen würde. Der Marder schmiegte sich eng an den Stamm, und dass er erfolgreich und der Vogel verloren sein würde, war nur eine Frage der Zeit. Holten wartete gespannt auf den tödlichen Angriff. Doch plötzlich durchfuhr eine blitzschnelle Bewegung die Amsel. Sie hatte ihren Feind entdeckt und saß von einem Moment zum anderen fünf Meter entfernt auf einem benachbarten Baum und stimmte ein lautes Warngeschrei an. Die nächs-te Amsel fiel ein, und als der Marder sich aufrichtete, weil seine vorgesehene Beute nicht mehr vorhanden war, wurde er von einem Eichelhäher entdeckt, der noch lauter warnte. Der Marder saß einen Moment lang still auf dem Ast, dann trollte er sich und verschwand im nahen Gebüsch, verfolgt von einer lärmenden Vogelschar in gebührendem Abstand. Für ihn war die Jagd in diesem Gebiet nun vorbei, hier konnte er sicherlich nicht mehr erfolgreich sein. Hätte die Schwarzdrossel ihn nicht gesehen und hätte er sie töten können, so hätte er seinen Beutezug sicherlich ungehindert fortsetzen können.
    In diesem Moment kam Holten Nases Bemerkung in den Sinn: »Ich glaube, der hat irgendetwas gesehen, was er nicht hätte sehen sollen.«
    Auch die Amsel hatte gesehen, was sie nicht sehen sollte. Sie war mit Glück davongekommen, Wilhelm Lehmberg hatte dieses Glück nicht gehabt.
    Holten beschloss, die Möglichkeit eines folgenschweren Unfalles zunächst als zweitrangig einzustufen. Es ging offensichtlich um vorsätzlichen Mord.
    Für ihn war jetzt klar, dass er am Flugplatz weiterermitteln musste, denn dort gab es Widersprüche. Wilhelm Lehmberg war dort gewesen, Riecker hatte ihn angeblich nicht gesehen, und wenig später war er gestorben. Holten nahm sich vor, noch einmal mit Riecker zu sprechen.
    Als er wieder auf sein Fahrrad stieg und sich auf den Heimweg machte, wurde es bereits dunkel.
    Am nächsten Tag, pünktlich um Viertel vor neun, stellte Holten sein Fahrrad an den Jägerzaun, der die Grenze zwischen öffentlichem und Flugbetriebsbereich bildete. Er hatte › Dienst ‹ , wie es im vereins- und familieninternen Jargon hieß.
    Der Flugplatz wurde von einem Verein betrieben, und alle Vereinsmitglieder hatten die Möglichkeit, sich das Fliegen zu verbilligen, wenn sie für den Verein arbeiteten. Holten hatte das auch getan, und obwohl seine finanzielle Situation ihn inzwischen nicht mehr dazu zwang, war er im Regeldienst › Flugleitung ‹ geblieben. Das hieß für ihn, im Turnus von sechs oder sieben Wochen ein ganzes Wochenende als Flugleiter im Tower zu

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