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Auf und ab - Mord in Hellwege

Auf und ab - Mord in Hellwege

Titel: Auf und ab - Mord in Hellwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Wuensche
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wegen des starken Rückenwindes eine äußerst treibstoffsparende Einstellung gewählt hatte. Aber wo war er? Er versuchte, sich anhand der Koordinatenanzeigen des GPS-Gerätes einen ungefähren Überblick zu verschaffen.
    In diesem Moment setzte der Motor kurz aus, lief einen Moment weiter, stotterte und stellte kurz danach seinen Dienst ganz ein. Es war nur noch das Rauschen des Fahrtwindes zu hören.
    Der Schreck, der Holten durchfuhr, dauerte nur wenige Augenblicke, dann reagierte er.
    Er wusste, dass er in dieser Höhe noch knapp vier Minuten bis zur Landung hatte: Er stellte den Autopiloten ab und trimmte die Maschine auf die Geschwindigkeit für bestes Gleiten aus. Die Landschaft, die im milchigen Morgenlicht unter ihm lag, war zum größten Teil bewaldet. Hier und dort waren Gewässer wie kleine Seen und Flüsse auszumachen. Er musste schnell einen Platz finden, der für eine Notlandung geeignet war. Nach zwei Minuten, die ihm wie Stunden vorkamen, entdeckte er endlich eine Schneise in dem unendlichen Wald unter ihm, die eine Straße oder ein Weg sein konnte. Dies war seine einzige Chance, zumal die Richtung auch zu der vorherrschenden Windrichtung zu passen schien. Er war froh, dass er von Zeit zu Zeit auch Ziellandungen trainiert hatte, denn jetzt lief alles automatisch ab: Einkurven in den Gegenanflug, Notlandeplatz im Auge behalten, Fahrt beachten, Kurve in den Queranflug, Fahrt und Höhe beachten, Blick zum geplanten Aufsetzpunkt, zu hoch – Klappen zehn Grad, Fahrt beachten, Kurve in den Endanflug, siebzig Knoten, ausrichten, immer noch zu hoch – Klappen zwanzig Grad, Fahrt abbauen, hundert Fuß, Klappen voll, Tür entriegeln, Hauptschalter off, abfangen, aufsetzen, Bugrad entlas-ten, Richtung halten, ausrollen, bremsen.
    Als die Maschine stillstand, bemerkte Holten, dass er zitterte.
    Er löste seinen Gurt und stieß die Tür auf. Es war völlig still, er fröstelte von der kühlen Luft, die hereinströmte, und hörte nur sein Herz klopfen. Seine Arme und Beine schmerzten von der Anspannung, und seine Blase meldete sich wieder. Mühsam kletterte er aus dem Flugzeug. Schwerfällig und steif bewegte er sich einige Schritte in den angrenzenden Wald, um sich zu erleichtern.
    Auf dem Rückweg blieb er nach einigen Schritten stehen, um sich umzuschauen. Die Sonne war gerade aufgegangen und schickte die ersten Strahlen durch den Morgendunst. So weit Holten sehen konnte, standen Nadelbäume in allen Größen, dazwischen und darunter befand sich ein mehr oder weniger dichtes Sträucherdickicht. Die freien Stellen waren mit Gras bewachsen oder mit abgefallenen trockenen Nadeln bedeckt. Überall standen Pilze, nach seiner Meinung alle essbar. › Kein Messer und keinen Korb dabei ‹ schoss es ihm durch den Kopf.
    Dies hier war jedoch kein kultivierter Nutzwald. Nirgends war ein Anzeichen menschlicher Zivilisation zu entdecken. Die Schotterpiste, auf der sein Flugzeug jetzt stand, war etwa sechs Meter breit und erstreckte sich in Richtung Sonne schnurgerade ungefähr fünfhundert Meter, um sich in der Gegenrichtung irgendwo im Morgendunst zu verlieren. Die Ränder seiner Landebahn waren auf einer Breite von jeweils ungefähr zehn Metern gerodet und baumfrei. Für Holten sah das aus wie eine Feuerschneise, also mussten hier doch schon Menschen gewesen sein.
    Wo war er?
    Er ging zum Flieger zurück und suchte in seinem Koffer nach seinem GPS-Navigationsgerät. Die Akkus waren wider Erwarten noch aufgeladen, und als er es eingeschaltet hatte, überraschte ihn die Anzeige kaum noch. Waldlandschaft in Russland, fünf Buchstaben: Er hatte bereits vermutet, dass er irgendwo in der Taiga heruntergekommen war, und das wurde ihm mit der GPS-Anzeige auch bestätigt. Er war mitten in Russland.
    Holten bewegte sich langsam wieder zum Waldrand und setzte sich auf eine Baumwurzel. Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, fragte er sich, wie er in diese unerwartete Situation hatte geraten können und was jetzt zu tun war. Er hätte natürlich den Notsender aktivieren können, was aber Suchaktionen mit Hubschraubern und immense Kosten ausgelöst hätte. Es bestand für ihn jedoch keine Gefahr für Leib und Leben. Vielleicht könnte er über eine Bord-Bord Frequenz einen Liner erreichen, der in zehn oder zwölf Kilometern Höhe über ihn hinwegflog?
    Fünfzig Meter entfernt betraten zwei Elche die Waldschneise und ließen sich hier und da einen Grashalm oder ein Blatt schmecken. Holten spürte seinen leeren Magen und

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