Auf und ab - Mord in Hellwege
sich heftig vorn auf die Motorhaube. Es machte ein lautes, klopfendes Geräusch, doch wider Erwarten konnte sie keine Beschädigung am Wagen entdecken. Der Bagger wiederholte die Bewegung, unregelmäßig und so schnell, wie sich kein schweres Gerät bewegen konnte, und wieder war keine Beule zu sehen.
Sie wachte langsam auf und realisierte, dass das klopfende Geräusch nicht von ihrem Wagen, sondern unten von der Haustür kam. Als ihr schlaftrunkener Blick den Wecker suchte, stellte sie fest, dass ihr Mann nicht neben ihr lag. Es kam häufig vor, dass sie eher im Bett lag als er, denn er war ein Nachtmensch, der bis in den frühen Morgen arbeiten oder lesen konnte. Endlich war sie richtig wach und fragte sich verwundert, warum er dann nicht zur Tür ging, wenn er doch um zwanzig nach drei noch unten saß und jemand am Eingang klopfte. Sie huschte zum Fenster und blickte prüfend durch die Jalousie nach draußen. Der Bewegungsmelder hatte das Außenlicht eingeschaltet, und sie konnte auf der Straße einen Streifenwagen erkennen.
Polizei!
Sie erschrak bis ins Mark.
Vor zwei Jahren war ein Kumpel ihres Sohnes Martin bei einem Autounfall tödlich verunglückt, und sie hatte ein solches Ereignis immer als den größten Albtraum eines jeden Elternpaares angesehen. Sie warf sich den Bademantel über und eilte nach unten. Dass ihr Mann nicht im Wohnzimmer saß, fiel ihr in der Eile gar nicht auf. Vor der Haustür standen zwei Polizisten in Uniform, und sie öffnete sofort, ohne die Türkette vorzulegen, obwohl Holten ihr das stets eingeschärft hatte. Der kühle und böige Westwind fuhr ihr unter Bademantel und Nachthemd, sodass sie vor Kälte und Aufregung zitternd im Hauseingang stand.
Die beiden Wachtmeister stellten sich vor: »Mein Name ist Border, und das ist mein Kollege Fricke.«
»Entschuldigen Sie die späte Störung«, fuhr er danach fort, »sind Sie Frau Holten?«
»Ja«, antwortete sie und nahm sich vor, stark zu sein. Dann entdeckte sie Martins Jacke an der Garderobe, er war anscheinend doch zu Haus und schlief in seinem Zimmer. Sie atmete tief durch. Erst jetzt kam ihr zu Bewusstsein, dass Holten nicht im Hause zu sein schien.
»Dürfen wir hereinkommen?«
Sie machte die Tür weiter auf und deutete in Richtung Wohnzimmer. Die beiden nahmen ihre Mützen ab und putzten sich umständlich die Schuhe auf der Matte ab, bevor sie zögernd den Windfang betraten.
Nachdem sie ins Wohnzimmer getreten waren, fragte Border zunächst, als ob er Zeit gewinnen wollte:
»Dürfen wir uns hinsetzen?«
Sie deutete auf zwei Sessel.
»Bitte.«
Die beiden warteten, bis sie selbst sich hingesetzt hatte, und nahmen dann Platz.
Ihr Mann war nicht im Hause, und ihre Sorge und Aufregung wuchsen wieder.
»Frau Holten«, begann Fricke, der etwas älter aussah, nun, »wir haben eine schlechte Nachricht für Sie. Das Flugzeug ihres Mannes wird vermisst.«
Sie erschrak nicht, weil sie so etwas Ähnliches bereits vermutet hatte. Sie nahm sich zusammen und blieb jetzt ganz ruhig.
»Drücken Sie sich doch etwas genauer aus!«, antwortete sie schroff. Sie suchte Schutz hinter den Wortspielen, die sie mit ihrem Gatten hin und wieder trieb.
»Was heißt das, dass sein Flugzeug vermisst wird? Ist es gestohlen worden? War mein Mann im Flugzeug, als es verschwand? Ist er abgestürzt?«
Es nützte nichts. Als sie das Wort › abgestürzt ‹ ausgesprochen hatte, spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
»Man weiß es nicht«, hörte sie wie durch Watte.
Sie riss sich zusammen.
»Man weiß es nicht«, wiederholte sie langsam.
»Vielleicht erzählen Sie mir dann endlich, was Sie wissen.«
Nun hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Ihr Mann hat einen Flugplan abgegeben, auf dem angegeben war, dass er vor zweiundzwanzig Uhr in Bremen landen wollte. Er ist bis jetzt nicht dort angekommen. Nach dem Start hat er mit einer Kontrollstelle gesprochen, und es gab irgendwelche Schwierigkeiten. Ich kann Ihnen nicht näher beschreiben, was es war. Entschuldigen Sie, aber ich bin kein Fachmann. Jedenfalls hat von diesem Moment an niemand mehr Kontakt mit ihm gehabt. Als er nicht in Bremen angekommen ist, haben sich die zuständigen Such- und Rettungsdienste eingeschaltet, aber bis jetzt hat man keine Spur von ihm oder dem Flugzeug.«
»Und was wird man tun?«, fragte sie mechanisch.
»Das weiß ich nicht, Frau Holten. Ich nehme an, dass man, wenn es hell wird, auf der von ihrem Mann angegebenen Flugroute und in deren Umgebung
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