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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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das Geld fest in der Hand,
während sie zu den öffentlichen Toiletten lief. Nathan wartete draußen auf sie,
und danach gingen sie ein Stück über die Wiese, während sie überlegten, was sie
tun sollten.
    „Wir brauchen Kleider zum Wechseln“,
meinte Julia.
    „Ich brauch keine Kleider, ich hab
genug.“
    „Ich brauch wenigstens einen Anorak. Es
wird kalt abends.“
    „Wir können einen kaufen.“
    „Stimmt. Aber nicht heute abend. Bis
wir zu den Läden kommen, haben sie zu. Sollen wir zuerst noch nach Hause gehen,
bevor wir weglaufen?“
    „Ich gehe nicht nach Hause“, sagte
Nathan. „Mein Vater verprügelt mich bestimmt.“
    „Du hast ja auch deinen Anorak schon
an. Aber ich muß nach Hause.“
    „Und wenn deine Mutter dich dann nicht
mehr raus läßt?“
    „Ich renn einfach raus — sie kann mich
nicht aufhalten.“
    „Okay. Ich warte auf dich.“
    „Wo wartest du?“
    Nathan überlegte. „In dem leeren Haus,
wo wir das Geld gefunden haben?“
    „Aber die Einbrecher — sie bringen uns
womöglich um“, antwortete Julia entsetzt.
    „Ach was.“ Nathan erzählte ihr von
seiner Entdeckung am Wochenende.
    „Dann wartest du also dort auf mich?“
fragte Julia.
    „Ja.“
    „Und du gehst nicht? Du gehst nicht
ohne mich?“
    „Nein. Hab ich doch gesagt.“
    Julia zögerte. Sie traute Nathan nicht.
Womöglich änderte er seine Meinung und ließ sie sitzen. Aber was blieb ihr
anderes übrig? Sie mußte ihm vertrauen, sie hatte keine Wahl.
    „Geh schon“, sagte Nathan ungeduldig.
    Julia ging.
    Vor ihrem Haus stand Mrs. McCarthy, die
Frau aus dem Erdgeschoß, und putzte die Fenster zur Straße hin.
    „Deine Mutter hat schon nach dir
gesucht, Julia“, sagte Mrs. McCarthy.
    Sie war eine nette Frau, und Julia
mochte sie gern, doch im Augenblick war sie zu aufgeregt, um ebenfalls
freundlich zu sein. „Mir egal“, erwiderte sie nur schroff und ging an Mrs.
McCarthy vorbei ins Haus. Schon halb auf der Treppe fiel ihr etwas ein. „Ist
meine Mutter da?“ rief sie zurück.
    „Sie ist die Straße hinuntergegangen
und sucht dich. Sie macht sich Sorgen um dich.“
    „Sie macht sich bestimmt keine Sorgen“,
erwiderte Julia. „Ich bin ihr doch völlig egal.“
    „Du solltest nicht so von deiner Mutter
reden“, rief Mrs. McCarthy nach oben. „Deine Mutter kümmert sich sehr gut um
dich. Sie arbeitet schwer, um dir ein schönes Zuhause geben zu können.“
    Aber Julia hörte nicht mehr zu. Sie
mußte sich beeilen, solange die Gelegenheit günstig war. Ihr Herz klopfte vor
Angst und Aufregung. Jetzt, wo sie sich zu diesem Abenteuer durchgerungen
hatte, fürchtete sie, daß etwas passieren könnte, das sie daran hinderte.
    Wo sollte sie anfangen? Zuerst das
Geld. Julia nahm das kleine Päckchen aus ihrer Unterhose und überlegte, wo sie
es sicher unterbringen konnte. Eine kleine Plastiktüte, die auf dem Küchentisch
lag, brachte sie auf eine Idee. Sie steckte das Geld in die Plastiktüte, holte
ein Stück Schnur und zog es durch die Tragegriffe. Dann band sie sich die
Schnur unter dem Kleid um die Taille. Die Tüte lag flach auf ihrem Bauch, unter
dem weiten Rock war nichts Auffälliges zu erkennen. Einen der Scheine sollte
sie wohl besser zur Hand haben, falls sie etwas bezahlen mußte, doch das konnte
später organisiert werden. Als nächstes suchte sie auf dem Schrank im
Schlafzimmer der Mutter, wo die Koffer und Reisetaschen lagen, nach einem
passenden Behältnis. Sie fand eine kleine Reisetasche aus Stoff, die Platz
genug bot für ihre Kleider. In der Eile zog sie einen anderen Koffer mit vom
Schrank. Er krachte auf den Nachttisch und riß die Lampe und das Radio mit
herunter. Egal — sie würde nicht mehr da sein, wenn die Mutter zurückkam und
das Chaos entdeckte. In ihrem eigenen Zimmer riß Julia eine Schublade nach der
anderen auf. Was brauchte sie? Saubere Unterwäsche natürlich, Socken, ein Paar
Schuhe... zwei Strickjacken und ihren Anorak. Das würde reichen. Sie wollte den
Reißverschluß der Tasche zuziehen, doch er klemmte. Die Angst ließ sie noch
ungeschickter sein als sonst. Sie zerrte an dem Reißverschluß, stolperte gegen
das Fußende ihres Bettes und holte sich einen schmerzhaften blauen Fleck an der
Hüfte.
    Als sie die Mutter die Treppe
heraufhasten hörte, blieb ihr fast das Herz stehen. In Panik versuchte sie das
Beweisstück, nämlich die Reisetasche, unter dem Bett zu verstecken. Aber es war
zu spät. Die Mutter stand schon in der Tür, und sie war furchtbar wütend.
    „Wo

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