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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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zeigen.
    „Sieht gut aus“, lobte er. Er grinste,
und Julia wußte, daß es ihm wirklich gefiel. „Warum kaufst du dir nicht auch
noch so ein Band für die Haare?“ schlug er vor, und so gingen sie noch einmal
zur Drogerie, um nach einem Band zu suchen.
    Im Schaufenster sah Julia, wie unsicher
sie daherstakste. Das Staksen verdarb die Wirkung ihrer neuen Erscheinung. Also
straffte Julia die Schultern und reckte das Kinn vor. Zum ersten Mal in ihrem
Leben war sie stolz auf ihr Aussehen.
    Der Mann am Fahrkartenschalter
verkaufte ihr eine halbe und eine ganze Fahrkarte nach Brighton, ohne zweimal
hinzuschauen.

 
    6.
     

An der Küste
     
     
     
    Nathan und Julia sprachen nicht viel
während der Fahrt. Zum einen saßen noch andere Leute im Abteil, die hätten
mithören können, und zum anderen gab es soviel zu sehen. Soviel Grün — es war
eine ganz andere Welt als das staubige, graue London. Gedanken an zu Hause
waren unangenehm, also versuchten sie, nicht daran zu denken.
    Je weiter der Zug sie allerdings von
daheim wegführte, desto seltener dachten sie daran. Und schließlich fuhren sie
ans Meer, und dort würde alles gut werden.
    Der Zug erreichte Brighton am frühen
Nachmittag. Julia und Nathan hatten Hunger, also kauften sie Hamburger und Cola
und aßen auf dem Weg zum Strand. Sie wollten so schnell wie möglich am Wasser
sein, deshalb nahmen sie sich keine Zeit für eine richtige Mahlzeit. Julia mit
ihren kleinen Absätzen fand das Gehen bald unerträglich. Sie konnte nur Tippelschrittchen
machen, und das war zu langsam. Wenn sie mit Nathan Schritt halten wollte,
mußte sie fast rennen, und sie hatte Angst umzuknicken. Deshalb zog sie die
Sandaletten aus und stopfte sie zu ihren anderen Kleidern in die Plastiktüte.
Sie waren schließlich am Meer, oder? Und am Meer konnte man barfuß laufen.
    Sie rochen es, bevor sie es sahen. Die
Luft war salzig, frisch, anders. Eine kühle Brise wehte ihnen ins Gesicht,
trotz des Sonnenscheins. Und plötzlich lag das Meer vor ihnen, glitzernd und
endlos, eine Million Diamanten und Smaragde unter klarem, blauen Himmel. Sie
liefen über die Kieselsteine zum Wasser.
    „Warte auf mich!“ rief Julia. Die
harten Kiesel taten ihr weh. Bis sie Nathan eingeholt hatte, hatte der schon
seine Schuhe ausgezogen und watete im seichten Wasser.
    „Es ist kalt!“ quiekte er. Sein erster
Eindruck vom Meer war überwältigend. So riesig hatte er es sich nicht
vorgestellt.
    „Es ist herrlich“, rief Julia und
folgte ihm ins Wasser. Sie planschten eine Weile herum, dann sagte Julia
sehnsüchtig: „Wenn wir bloß schwimmen könnten. Hätte ich bloß meinen Badeanzug
mitgebracht!“
    „Kauf dir doch einen“, meinte Nathan.
    „Klar, du hast recht. Wo denn?“
    „Da hinten ist ein Geschäft.“
    Julia humpelte über die Steine und fand
einen kleinen Laden, wo es alles mögliche Strandzubehör gab. Um dem Bild einer
Sechzehnjährigen gerecht zu werden, kaufte sie einen knappen, gestreiften
Bikini. Sie hatte zwar noch ein wenig Hemmungen, ihn zu tragen, doch
ausprobieren wollte sie ihn trotzdem so schnell wie möglich. Sie hoppelte zu
Nathan zurück. Der war inzwischen wieder aus dem Wasser gekommen und hatte sich
auf eine kleine Erhebung gesetzt, von wo aus er aufgeregt den Horizont
absuchte.
    „Ich sehe keine großen Schiffe“, sagte
er enttäuscht. „Nur kleine.“
    „Da drüben ist ein großes Schiff“,
sagte Julia.
    „Wo?“ Angestrengt schaute er durch die
zersprungene Brille. „Da drüben, ziemlich weit weg. Und noch eines.“
    „Gut.“
    „Warum interessieren dich große
Schiffe?“
    „Nur so.“
    Nathan war noch lange nicht so weit,
ihr von seinem Traum zu erzählen.
    Julia begann, sich in den Bikini zu
zwängen, während sie auf den Steinen saß und sich, so gut es ging, mit dem
Anorak bedeckte. „Schau in die andere Richtung“, befahl sie Nathan streng. Als
sie zu der Geldtasche kam, die sie immer noch um die Taille gebunden hatte, merkte
sie, daß sie ein Problem hatte. Sie runzelte die Stirn, schürzte die Lippen,
zögerte und wandte sich schließlich an Nathan. „Du wirst auf mein Geld
aufpassen müssen, während ich schwimme.“
    „Okay.“
    „Ich hab’s gezählt“, warnte sie ihn, „ich
weiß, wieviel ich noch hab.“ Letzteres stimmte nicht ganz. Beide wußten nicht
genau, wieviel Geld sie eigentlich hatten.
    „Okay, okay“, sagte Nathan beleidigt. „Ich
klau dir dein Geld schon nicht.“ Er wäre an ihrer Stelle genauso mißtrauisch
gewesen, doch

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