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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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Zimmer.
    „Das wären dann sieben Pfund pro
Person, Übernachtung und Frühstück.“
    „Jeden Tag?“ fragte Julia überrascht.
    Die Frau lachte, und das Lachen klang
wie gesprungene silberne Glöckchen. „Der Himmel weiß, daß das noch billig ist.
Billiger als hier findest du’s nirgends. Nur für eine Nacht dann?“
    „Nein“, sagte Julia, „für mehrere
Nächte. Für viele Nächte, denke ich. Ich weiß es nicht genau.“ Sie hielt inne,
da sie nicht wußte, was sie weiter sagen sollte.
    „Ich verstehe“, sagte die Frau. „Gut — möchtet
ihr euch das Zimmer anschauen?“
    „Ja bitte“, sagte Julia erleichtert.
    Sie stiegen eine Treppe hinauf, die mit
einem scheußlich gemusterten Teppich ausgelegt war. Die alte Frau keuchte und prustete
beim Hinaufsteigen. Auf der obersten Stufe hielt sie sich am Geländer fest und
hievte sich vollends auf den Flur hinauf. Sie lachte wieder, doch sie sah aus,
als täte ihr alles weh. „Ich bin nicht mehr so beweglich wie früher“, gab sie
zu. „Hier ist das freie Zimmer.“
    Sie öffnete eine Tür und zeigte ihnen
ein sehr schäbiges Zimmer. Es stand ein Doppelbett darin und ein kleineres Bett
beim Fenster. „Gefällt es euch?“ fragte die Frau hoffnungsvoll.
    Julia merkte, wie sehr die Frau wollte,
daß sie und Nathan das Zimmer nahmen. Vielleicht brauchte sie dringend das
Geld. Vielleicht kamen nicht sehr viele Leute zu ihr, die nach einem Zimmer
fragten. „Ja“, sagte Julia. „Wir nehmen es, nicht wahr?“
    Die letzte Frage war an Nathan
gerichtet, der völlig verzückt auf die alten Bettüberwürfe starrte. Die
Bettüberwürfe selbst konnte er gar nicht richtig erkennen, aber er sah die
beiden Betten. Zum erstenmal in seinem Leben sollte Nathan ein Bett ganz für
sich allein haben. „Es ist super“, sagte er aus tiefster Überzeugung. Er konnte
es kaum erwarten, bis Schlafenszeit war.
    Die alte Frau sah plötzlich wieder
besorgt aus. Sie zögerte, öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen,
überlegte es sich dann jedoch anders und schloß ihn wieder. Dann holte sie tief
Luft. „Leider gibt es keinen Fernseher“, sagte sie bescheiden.
    „Fernseher?“ wiederholte Julia
verwundert.
    „Unten im Aufenthaltsraum. Er ist zur
Reparatur. Der Mann sagte, daß er zum Wochenende wahrscheinlich fertig wäre.“
    „Spielt keine Rolle“, sagte Julia.
    „Das macht euch nichts aus?“
    „Nein — spielt keine Rolle“, beteuerte
auch Nathan. Ihn interessierten nur die beiden Betten.
    „Ja, weiß der Himmel“, sagte die alte
Frau erleichtert, „ihr seid die ersten jungen Leute, die ich kenne und denen es
nichts ausmacht, daß kein Fernseher da ist. Das Badezimmer ist übrigens da
vorn... Ich nehme an, ihr wollt jetzt euer Gepäck holen.“
    „Unser Gepäck?“ Julia schaute sie
irritiert an.
    „Ja — eure Koffer. Ich nehme an, ihr
habt sie am Bahnhof gelassen. Die meisten Leute machen das, wenn sie nach
Zimmern schauen.“
    „Oh ja, ja, natürlich. Dann gehen wir
jetzt besser und holen unser Gepäck. Nicht wahr, Charlie? ... Charlie?“
    Nathan hatte sich schon wieder auf die
Betten konzentriert und war etwas langsam im Begreifen. Julia stieß ihn mit dem
Fuß an.
    „Ich bin Mrs. Parsons“, sagte die alte
Frau zu Julia, als sie die Treppe hinuntergingen. „Ich weiß jetzt, daß der
junge Mann hier Charlie heißt. Und wie heißt du?“
    „Beverley“, antwortete Julia. Sie hatte
sich immer gewünscht, Beverley zu heißen.
    „Ja, weiß der Himmel!“ Die Frau
strahlte über das ganze runzlige Gesicht. „Genauso heißt auch meine
Enkeltochter. Oh — ihr wollt doch kein Abendessen, oder?“ Wieder der besorgte
Blick.
    „Nein, nein“, sagte Julia, eifrig
darauf bedacht, immer die richtigen Antworten zu geben.
    „Das ist gut. Früher habe ich nicht nur
Frühstück, sondern auch Abendessen angeboten, aber das schaffe ich jetzt nicht
mehr. Das ist zuviel Arbeit für mich allein. Die meisten Gäste holen sich was,
ihr könnt es auf eurem Zimmer essen, wenn ihr wollt.“
    Wie es aussah, würde sie keinerlei
unliebsame Fragen stellen. Julia und Nathan gingen gesittet die Straße
hinunter, doch sobald sie um die Ecke waren, explodierten sie vor Lachen. „Wir
haben ein Zimmer!“ riefen sie sich gegenseitig triumphierend zu.
    Sie fanden eine Straße mit Geschäften
und suchten nach einem, wo sie zwei Koffer kaufen konnten. Die großen Geschäfte
hatten bereits geschlossen, doch ein Zeitungskiosk war noch offen. Außer
Zeitungen gab es hier auch

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