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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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Andenken und Strandzubehör. Sie kauften zwei
Strandtaschen mit Reißverschluß. Seine Kleider in eine Strandtasche zu packen,
war vielleicht etwas ungewöhnlich, doch anders ging es im Moment nicht. Sie
konnten nicht zu Mrs. Parsons zurück, ohne irgendeine Form von Gepäck. Sie
stopften zusammengeknüllte Zeitungen in die Taschen, damit sie voll aussahen.
Am nächsten Tag mußte Nathan sich aber unbedingt frische Unterwäsche kaufen,
bestimmte Julia streng. Er konnte nicht mehr länger in den alten Sachen
herumlaufen. Sie kauften gebackenen Fisch und Pommes frites und nahmen sie mit
auf ihr Zimmer, wie Mrs. Parsons es vorgeschlagen hatte.
    „Ich kriege das große Bett“, sagte
Julia, bevor Nathan Ansprüche darauf erheben konnte.
    Nathan hatte nichts dagegen. Er hatte
schon überlegt, daß er sich in einem großen Bett so ganz allein vielleicht doch
etwas verloren vorkommen könnte. Das kleine war ihm lieber. Er setzte sich auf
sein Bett, aß seine Fischstäbchen aus der Pappschale und freute sich aufs
Schlafengehen.
    „Du schuldest mir noch Geld“, sagte Julia,
als sie fertig waren mit essen. Auch wenn sie nur eine sehr verschwommene
Vorstellung von dem gesamten Betrag hatte, den sie besaßen, so war ihr
Gedächtnis für kleine Summen doch recht gut, und sie hatte sich, zumindest
ungefähr, alles gemerkt, was sie seit Euston für sie beide ausgegeben hatte.
Sie hatte ausgerechnet, daß Nathan ihr fünf Pfund und 32 Pence schuldete. Von
jetzt an wollte sie ihr ganzes Geld in der Umhängetasche aufbewahren, die sie
im Victoria-Bahnhof gekauft hatte.
    „Wasch dir die Hände, Nathan, bevor du
mir das Geld gibst“, sagte sie. „Ich will keinen Haufen fettiger Münzen in
meiner Handtasche.“
    Sie spielt ihre Rolle als große
Schwester ganz schön aus, dachte Nathan wütend. Er boxte sie in den Rücken,
ziemlich stark, was ihr nicht nur körperlich weh tat. Sie dachte, er hätte es
grundlos gemacht, dabei war es dafür, daß sie ihre Rolle als große Schwester
ein wenig überzogen hatte. Nathan hatte daheim genug große Schwestern, die ihn
ständig zum Waschen schickten.
    „Ich würd gern wissen, was sie jetzt
daheim machen“, sagte Nathan plötzlich.
    „Wahrscheinlich sind sie zur Polizei
gegangen. Wahrscheinlich suchen sie jetzt in ganz London nach uns. Aber da
finden sie uns nicht!“
    „Macht deine Mutter sich Sorgen?“
    „Nein — meine Mutter mag mich nicht.
Ich bin ihr egal. Mag deine Mutter dich, Nathan?“
    Nathan hatte aufgehört, an seine Mutter
zu denken, doch jetzt tat er es wieder, nur für einen Augenblick. Er nahm an,
daß seine Mutter sich schon Sorgen machte, ein wenig, weil er davongelaufen
war, aber auf der anderen Seite hatte sie immer soviel zu tun. „Ich glaub
nicht, daß sie mich wirklich vermißt“, sagte er. „Ich glaub, sie ist froh, daß
sie jetzt weniger Arbeit hat... Ist es schon Schlafenszeit, Julia?“
    Ins Bett zu gehen, hielt Julia für eine
gute Idee. Sie hatte in der letzten Nacht kaum geschlafen und war todmüde. Da
sie keine Schlafanzüge hatten, schlief Julia in ihrem zerrissenen Kleid und
Nathan in den Kleidern, die er schon seit zwei Tagen trug. Julia schlief
augenblicklich ein. Nathan lag noch ein paar Minuten wach und dachte an seinen
Traum. Den Traum von dem Schiff. Der Wachtraum trug ihn über sich kräuselnde
Wellen, grün und blau und mit Schaumkronen obendrauf und sonnenwarm. Er
versprach regenbogenfarbige Abenteuer ohne Ende.

 
    7.
     

Entdeckt!
     
     
     
    Beim Frühstück war Mrs. Parsons in
Plauderlaune. Außer Nathan und Julia war noch ein Ehepaar im Zimmer, eine
ältere Frau und ihr Mann. Sie hatten wenig zu sagen, sowohl untereinander als
auch zu Mrs. Parsons, so daß sich Mrs. Parsons Geplauder meist an Julia und
Nathan richtete. Sie erzählte ihnen von ihrer Tochter, die in London arbeitete,
und von ihrem Sohn in Australien und von ihrer Enkeltochter Beverley, die sie
noch nie gesehen hatte. Dann fragte sie die beiden: „Ihr wollt euch also einen
schönen Urlaub machen?“ Sie war nicht neugierig, nur gesprächig.
    Julia holte tief Luft. „Wir sind nicht
zum Urlaubmachen hier. Wir besuchen unsere Mutter.“
    „Sie besuchen? Wohnt ihr denn nicht bei
ihr?“
    „Schon, aber sie ist im Krankenhaus.
Hier.“
    „Oh, Gott behüte! Es ist doch
hoffentlich nichts Ernstes?“
    „Ein bißchen ernst ist es schon, sie
mußte operiert werden.“ Julia hielt es für besser, das zu sagen, falls sie
länger bei der alten Dame wohnen bleiben

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